Verbindung zwischen Arithmetik und Ordnung
Die Arithmetik und die Ordnung auf ℝ sind zunächst zwei getrennte Welten. Die Brücke wird durch die beiden folgenden, für alle reellen Zahlen x, y, z gültigen Eigenschaften geschlagen:
(A1) | x < y impliziert x + z < y + z, |
(A2) | 0 < x, y impliziert 0 < x · y. (Anordnungsaxiome) |
Wird ein Körper (K, +, ·) mit einer linearen Ordnung < ausgestattet, sodass (A1) und (A2) gelten, so heißt die Struktur (K, +, ·, <) ein angeordneter Körper. Die Aussagen (A1) und (A2) heißen die Anordnungsaxiome. Sie stellen sicher, dass alle vertrauten Eigenschaften für Ungleichungen gelten. Einige davon sind:
Satz (Folgerungen aus den Ordnungs- und Anordnungsaxiomen)
Für alle x, y, z gelten:
(a) | x < y genau dann, wenn −y < −x, |
(b) | 0 < x genau dann, wenn −x < 0, |
(c) | 0 < 1 und −1 < 0, |
(d) | 0 < x, y impliziert 0 < x + y, |
(e) | x, y < 0 impliziert x + y < 0 und 0 < x y, |
(f) | x < y impliziert z x < z y, falls z > 0, x < y impliziert z y < z x, falls z < 0, |
(g) | 0 < x und y > 1 impliziert x < x y, 0 < x und y < 1 impliziert x y < x. |
Beweis
zu (a): Ist x < y, so ist x − x − y < y − x − y nach (A1), also −y < −x. Analoges gilt für die andere Richtung.
zu (b): Die Aussage ist wegen −0 = 0 ein Spezialfall von (a).
zu (c): Wäre 1 < 0, so wäre 0 < −1 nach (b) und damit 0 < (−1) (−1) = 1 nach (A2), Widerspruch. Wegen 0 ≠ 1 gilt also 0 < 1 nach (O3). Nach Aussage (b) gilt dann −1 < 0.
Die Beweise der anderen Aussagen seien dem Leser überlassen.
Für spätere Grenzwertbestimmungen ist wichtig:
Satz (Bernoulli-Ungleichung)
Sei x ≥ −1. Dann gilt für alle n ∈ ℕ:
(1 + x)n ≥ 1 + nx.
f (x) = (1 + x)3
g(x) = 1 + 3x
f (x) = (1 + x)9
g(x) = 1 + 9x
Beweis
Wir beweisen die Aussage für ein festes x ≥ −1 durch Induktion nach n.
Induktionsanfang n = 0:
Es gilt (1 + x)0 = 1 ≥ 1 + 0 x.
Induktionsschritt von n nach n + 1:
Es gelte (1 + x)n ≥ 1 + n x (Induktionsvoraussetzung).
Dann gilt
(1 + x)n + 1 = (1 + x)n (1 + x)
≥I. V., 1 + x ≥ 0 (1 + n x) (1 + x)
= 1 + n x + x + n x2
≥ 1 + n x + x = 1 + (n + 1) x.
Bei der ersten Ungleichung haben wir die Induktionsvoraussetzung eingesetzt und zudem verwendet, dass diese Ungleichung bei der Multiplikation mit der nichtnegativen Zahl 1 + x erhalten bleibt; an dieser Stelle geht die Voraussetzung x ≥ −1 ein. Bei der zweiten Ungleichung nutzen wir nx2 ≥ 0, was ja sogar für alle x gilt.
Ähnlich kann man zeigen, dass für alle n ≥ 2 und x ≥ 1 mit x ≠ 0 die Bernoulli-Ungleichung scharf ist, d. h. es gilt (1 + x)n > 1 + nx für diese n und x. Weiter gilt die Ungleichung für gerade Exponenten n sogar für alle x und − wie die Diagramme vermuten lassen − für ungerade Exponenten n für alle x ≥ −2 (vgl. die Übungen).
Der Leser möge mit der Bernoulli-Ungleichung zeigen:
Korollar (Wachstum der Potenzen)
(a) | Für alle x ∈ ] 1, ∞ [ und alle y ≥ 0 existiert ein n ∈ ℕ mit xn > y. |
(b) | Für alle x ∈ ] 0, 1 [ und alle ε > 0 existiert ein n ∈ ℕ mit xn < ε. |
fn(x) = xn