Supremum und Infimum

 Die reellen Zahlen bilden einen angeordneten Körper. Dies gilt aber auch für die rationalen Zahlen (, +, ·, <) und für die algebraischen Zahlen (𝔸, +, ·, <), und damit haben wir den Unterschied zwischen  und  bzw. 𝔸 und  noch nicht erfasst. Eine ordnungstheoretische Begriffsbildung, die dies leistet, wollen wir nun diskutieren. Hierzu erweitern wir den Maximums- und Minimumsbegriff, den wir bislang nur in der Form max(x1, …, xn) bzw. min(x1, …, xn) betrachtet haben, auf beliebige Mengen.

Definition (Maximum und Minimum für Mengen)

Seien X ⊆  und x  ∈  X. Dann heißt x das Maximum von X, in Zeichen x = max(X), falls y ≤ x für alle y  ∈  X. Analog heißt x das Minimum von X, in Zeichen x = min(X), falls x ≤ y für alle y  ∈  X.

 Im Fall der Existenz sind das Maximum und das Minimum von X Elemente von X. Wir schreiben oft auch kurz max X, min X statt max(X), min(X).

Beispiele

(1)

max[ 0, 1 ]  =  1,  min[ 0, 1 ]  =  0,  max([ 0, 1 [ ∪ { 5 })  =  5.

(2)

max{ x }  =  min{ x }  =  x  für alle x  ∈  .

(3)

max(x, y)  =  max{ x, y },  min(x1, …, xn)  =  min{ x1, …, xn }.

(4)

min({ 0 } ∪ { 1/n | n ≥ 1 })  =  0.

(5)

min(∅),  max(∅),  min ] −∞, 0 ],  max [ 0, 1 [,  min { 1/n | n ≥ 1 },

max(),  min()  existieren nicht.

 Das letzte Beispiel zeigt, dass wir „Grenzpunkte“ von Mengen mit Hilfe der Maximums- und Minimumsbildung nicht immer erfassen können. Wir müssen also die Begriffsbildung noch einmal verallgemeinern. Nützlich sind hierzu die folgenden suggestiven Definitionen und Notationen:

Definition (obere Schranke, untere Schranke)

Seien X ⊆  und s  ∈  . Dann heißt s eine obere Schranke von X, in Zeichen X ≤ s, falls x ≤ s für alle x  ∈  X gilt. Analog heißt s eine untere Schranke von X, in Zeichen s ≤ X, falls s ≤ x für alle x  ∈  X gilt.

Definition (nach oben und unten beschränkt)

Ein X ⊆  heißt nach nach oben (unten) beschränkt, falls eine obere (untere) Schranke von X existiert. Weiter heißt X beschränkt, falls X nach oben und nach unten beschränkt ist.

Beispiele

(1)

[ 0, 1 ]  ≤  2,  0  ≤  ] 0, ∞ [,  non(1 ≤ { 0 } ∪ [ 1, 2 ]).

(2)

x = max(X)  impliziert  X  ≤  x.

(3)

Jedes x  ∈   ist eine obere und untere Schranke von ∅.

(4)

[ 0, ∞ [ ist nach unten beschränkt und nach oben unbeschränkt.

(5)

und  sind unbeschränkt.

 Eine obere Schranke von X können wir solange verkleinern, bis sie die Menge X „von rechts berührt“. Analog können wir eine untere Schranke von X solange vergrößern, bis sie die Menge X „von links berührt“. Diese anschaulichen Berührpunkte können wir formal so definieren:

Definition (Supremum, Infimum)

Seien X ⊆  und s  ∈  . Dann heißt s das Supremum von X, in Zeichen s = sup(X), falls gilt:

(Sup 1)  X  ≤  s.  (Sup 2)  Ist s′  ∈   mit X ≤ s′, so gilt s ≤ s′.

Analog heißt ein t  ∈   das Infimum von X, in Zeichen t = inf (X), falls gilt:

(Inf 1)  t  ≤  X.  (Inf 2)  Ist t′  ∈   mit t′ ≤ X, so gilt t′ ≤ t.
analysis1-AbbID13

t′  ≤  X,  t  =  inf (X),  s  =  sup(X),  X  ≤  s′

 Mit anderen Worten: Das Supremum einer Menge X reeller Zahlen ist die kleinste obere Schranke von X, und das Infimum von X ist die größte untere Schranke von X. Im Fall der Existenz gilt also

sup(X)  =  min { s | X  ≤  s },  inf (X)  =  max { s | s  ≤  X }.

Wir betrachten wieder einige Beispiele.

Beispiele

(1)

sup { 0, 1, 2 }  =  2,  inf { 4 }  =  sup { 4 }  =  4.

(2)

sup(∅),  inf (∅),  sup(),  inf ()  existieren nicht.

(3)

] −∞, 0 ] hat das Supremum 0, aber kein Infimum.

(4)

sup ] 0, 1 [  =  sup ] 0, 1 ]  =  1  =  inf [ 1, 2 [  =  inf ] 1, 2 ].

 Das Supremum und Infimum kann also im Gegensatz zum Maximum und Minimum der Menge X angehören oder nicht.

Satz (Zusammenhang zwischen max, sup, min, inf)

Sei X ⊆ . Dann gilt:

(a)

Existiert max(X), so gilt sup(X) = max(X).

(b)

Existiert sup(X) und gilt sup(X)  ∈  X, so gilt max(X) = sup(X).

Analoge Implikationen gelten für Minimum und Infimum.