Das arithmetische, geometrische und harmonische Mittel

 Abschätzungen spielen in der Analysis eine sehr wichtige Rolle. Wir stellen in hier einige Ungleichungen für  zusammen.

Definition (arithmetisches, geometrisches und harmonisches Mittel)

Seien a, b  ∈  . Dann setzen wir:

A(a, b)  =  (a + b)/2,(arithmetisches Mittel)

G(a, b)  =  ab,  falls a, b ≥ 0,(geometrisches Mittel)

H(a, b)  =  2/(1/a + 1/b),  falls a, b > 0.(harmonisches Mittel)

 Wir versammeln:

Satz (Zusammenhänge der drei Mittel)

Seien a, b  ∈   mit 0 < a ≤ b. Dann gilt:

(a)

A(a, b)  =  A(b, a),  G(a, b)  =  G(b, a),  H(a, b)  =  H(b, a),

(b)

A(a, a)  =  G(a, a)  =  H(a, a)  =  a,

(c)

G(a, b)2  =  a b  =  H(a, b) A(a, b),

(d)

a  ≤  H(a, b)  ≤  G(a, b)  ≤  A(a, b)  ≤  b.

In (d) gilt zudem Gleichheit genau dann, wenn a = b.

Beweis

Die ersten drei Aussagen sind klar. Ebenso ist a ≤ H(a, b) und A(a, b) ≤ b leicht nachzuweisen. Für die anderen Ungleichungen in (d) verwenden wir entscheidend die binomischen Formeln: Für alle x, y  ∈   gilt

0  ≤  (x − y)2  =  x2 − 2 x y + y2,  sodass

x y  ≤  (x2 + y2)/2  (mit Gleichheit genau dann, wenn x = y).

Setzen wir nun x = a und y = b, so erhalten wir

G(a, b)  =  ab  =  a b  =  x y  ≤  (x2 + y2)/2  =  (a + b)/2  =  A(a, b).

Damit gilt G(a, b) ≤ A(a, b) mit Gleichheit genau dann, wenn a = b. Aus (c) folgt, dass

H(a, b)  =  G2(a, b)/A(a, b)  =  (G(a, b)/A(a, b)) G(a, b)  ≤  G(a, b)

Hier gilt Gleichheit genau dann, wenn G(a, b)/A(a, b) = 1, d. h. wenn a = b. Damit ist (d) vollständig bewiesen.

 Für alle a, b > 0 gilt also:

21/a + 1/b  =  2 a ba + b  ≤  ab  ≤  a + b2(HGA-Ungleichung)

Speziell gilt für b = 1:

2 aa + 1  ≤  a  ≤  a + 12,  2 a  ≤  a + 1.

 Die Definitionen der drei Mittel lassen sich natürlich erweitern:

Definition (allgemeine Mittel)

Sei n ≥ 1, und seien a1, …, an  ∈  . Dann setzen wir mit a = (a1, …, an):

A(a)  =  (a1 + … + an)/n,(arithmetisches Mittel)

G(a)  =  n a1an,  falls a1, …, an ≥ 0,(geometrisches Mittel)

H(a)  =  n/(1/a1 + … + 1/an),  falls a1, …, an > 0.(harmonisches Mittel)

 Die Eigenschaften des obigen Satzes bleiben gültig. Insbesondere gilt

min(a1, …, an)  ≤  H(a1, …, an)  ≤  G(a1, …, an)  ≤  A(a1, …, an)  ≤  max(a1, …, an)

für alle a1, …, an > 0 in . Hier gilt a1 = … = an genau dann, wenn eine Ungleichung eine Gleichheit ist (und dann gilt überall „=“ statt „≤“).

Zur Bedeutung der drei Mittel

Das arithmetische Mittel A(a, b) zweier reeller Zahlen a ≤ b ist der Mittelpunkt der Strecke von a nach b. Für a, b ≥ 0 ist das geometrische Mittel G(a, b) ist die Seitenlänge eines Quadrats mit dem Flächeninhalt a b. Das harmonische Mittel ist vielleicht weniger intuitiv. In der Analysis taucht es prominent bei der Archimedischen Methode der Berechnung der Kreisfläche durch Polygonapproximation von innen und außen auf (vgl. Band 2). Eine schöne Anwendung liefert die Physik: Legen wir mit der Geschwindigkeit v1 eine Strecke x1 und dann mit der Geschwindigkeit v2 eine Strecke x2 zurück (mit x1, x2 > 0), so benötigen wir dazu die Zeiten

t1  =  x1/v1,  t2  =  x2/v2.

Damit berechnet sich die mittlere Geschwindigkeit des Gesamtweges zu

v  =  x1 + x2t1 + t2  =  x1 + x2x1/v1 + x2/v2.

Im Fall x1 = x2 erhalten wir v = H(v1, v2). Wer den Hinweg mit dem Rad mit v1 = 30 km/h fährt und den Rückweg mit v2 = 10 km/h, der fährt im Schnitt nur 15 km/h (mit H(30, 10) = 2 · 30 · 10 / 40 = 15). Wer jedoch eine Stunde mit v1 und dann eine Stunde mit v2 fährt, der fährt im Mittel mit der Geschwindigkeit A(v1, v2) = 20 km/h.