Die imaginäre Einheit
Wir wollen die komplexen Zahlen nun weiter untersuchen. Die fundamentale Größe i können wir einfach und formal unproblematisch als den zweiten kanonischen Einheitsvektor der Ebene definieren:
Definition (imaginäre Einheit)
Wir setzen i = (0, 1). Die komplexe Zahl i heißt die imaginäre Einheit.
Es ist instruktiv, die Multiplikation einer komplexen Zahl mit der imaginären Einheit zu untersuchen:
Beispiel
Für alle z = (x, y) ∈ ℂ gilt:
iz = zi = (x, y) (0, 1) = (− y, x).
Geometrisch entspricht dies der Drehung des Vektors (x, y) um 90 Grad gegen den Uhrzeigersinn, in Übereinstimmung mit der geometrischen Multiplikationsregel. Speziell ist i · i = (−1, 0) = −1 die Drehung von i um 90 Grad gegen den Uhrzeigersinn.
Wir können ℝ ⊆ ℂ erreichen, indem wir jedes x ∈ ℝ mit (x, 0) ∈ ℂ identifizieren. Diese Identifikation ist mit den Operationen auf ℂ verträglich, da
(x1, 0) + (x2, 0) = (x1 + x2, 0),
(x1, 0) · (x2, 0) = (x1 x2, 0) für alle x1, x2 ∈ ℝ.
Wegen (x, 0) · (x1, y1) = (x x1, x y1) ist die Identifikation von x mit (x, 0) mit der Skalarmultiplikation
x (x1, y1) = (x x1, x y1) für x ∈ ℝ und (x1, y1) ∈ ℝ2
von Vektoren der Ebene vereinbar.
Damit haben wir also unser Zahlsystem um eine neue Stufe erweitert:
ℕ ⊆ ℤ ⊆ ℚ ⊆ 𝔸 ⊆ ℝ ⊆ ℂ
Dass alles, was wir „Zahlen“ nennen, durch ein „größer oder kleiner“ geordnet ist, müssen wir im letzten Schritt preisgeben. (Warnung: Die Menge ℂ lässt sich durchaus linear ordnen, sodass (O1) − (O3) gelten; es ist aber nicht möglich, auch (A1) und (A2) zu erreichen.) Die algebraischen Eigenschaften und die Existenz einer komplexen Analysis rechtfertigen es aber, die Elemente von ℂ = ℝ2 Zahlen zu nennen.