Lösen quadratischer Gleichungen
Im Folgenden sei K = ℚ, 𝔸, ℝ oder ℂ. Allgemeiner gelten die folgenden Ausführungen für alle Körper K mit 2 = 1 + 1 ≠ 0, sodass 2−1 existiert.
In K hat eine algebraische Gleichung a z + b = 0 vom Grad 1 genau die Lösung z = − b/a. Dagegen ist eine Lösungsformel für quadratische Gleichungen der Form a z2 + b z + c = 0 nicht mehr offensichtlich. Durch quadratische Ergänzung lassen sich diese Gleichungen aber vereinfachen. Zunächst dürfen wir annehmen, dass a = 1 gilt (sonst dividieren wir durch a, ohne die Lösungen zu verändern). Unsere Gleichung lautet dann
(+) z2 + b z + c = 0.
Mit t = z + b/2 erhalten wir
(t − b/2)2 + b (t − b/2) + c = 0.
Ausmultiplizieren liefert
(++) t2 − b2/4 + c = 0.
Die Lösungen von (+) und (++) entsprechen einander via „t = z + b/2“. Es genügt also, reinquadratische Gleichungen zu lösen:
(+++) z2 − d = 0.
Eine Lösung w für d = b2/4 − c liefert eine Lösung w − b/2 von (+).
Die Parabel f mit f (x) = x2 + bx + c hat ihren Scheitelpunkt s bei −b/2. Die quadratische Ergänzung „t = z + b/2“ entspricht der Verschiebung von f um s nach links.
Quadratische Gleichungen in ℝ
Im Körper ℝ können wir z2 − d = 0 durch Wurzelziehen genau dann lösen, wenn d ≥ 0 gilt. Damit erhalten wir, mit der Unbestimmten x statt z:
Satz (Lösungsformel für quadratische Gleichungen in ℝ)
Die reelle Gleichung x2 + b x + c = 0 besitzt in ℝ genau dann eine Lösung, wenn b2 − 4c ≥ 0. In diesem Fall sind die Lösungen gegeben durch
x1,2 = .
Allgemeiner ist ax2 + b x + c = 0 für a ≠ 0 in ℝ genau dann lösbar, wenn b2 − 4ac ≥ 0, und dann sind die Lösungen gegeben durch
x1,2 = .
Die zweite Formel erhält man, indem man in der ersten Formel b/a für b und c/a für c substituiert. Die Zahl b2 − 4ac, die die Lösbarkeit von a x2 + b x + c = 0 entscheidet, heißt auch die Diskriminante der quadratischen Gleichung. Die Lösungsformel wird auch als Mitternachtsformel bezeichnet, weil man sie als Schüler (und Lehrer) zu jeder Tages- und Nachtzeit parat haben sollte.
Quadratische Gleichungen in ℂ
Wir betrachten nun eine quadratische Gleichung a z2 + b z + c = 0 in ℂ. Die Koeffizienten a, b, c sind nun komplexe Zahlen. Unsere Überlegungen bleiben richtig, und die Lösungsformel gilt nun sogar ohne eine Bedingung an die Diskriminante. Dabei verstehen wir obiger Konvention folgend unter ein w ∈ ℂ mit w2 = b2 − 4ac. Da in der Lösungsformel ein ±-Zeichen vor der Wurzel steht, spielt es keine Rolle, welches der beiden möglichen w wir wählen.
Wie finden wir nun aber ein w ∈ ℂ mit w2 = d = b2 − 4ac ? Ist der Imaginärteil von d gleich 0, so ist dies einfach. Denn ist Re(d) ≥ 0, so ist w = ± geeignet, und für Re(d) < 0 ist w = ± i wie gewünscht. Zur Lösung von z2 = d für beliebige d nehmen wir an, wir hätten ein w = (x, y) mit w2 = d. Dann gilt
Re(w2) = Re(d), Im(w2) = Im(d), |w|2 = |d|, sodass
x2 − y2 = Re(d), 2 x y = Im(d), x2 + y2 = |d|,
2 x2 = (x2 + y2) + (x2 − y2) = |d| + Re(d),
2 y2 = (x2 + y2) − (x2 − y2) = |d| − Re(d).
Wegen |Re(d)| ≤ |d| können wir reelle Wurzeln ziehen und erhalten
x = ± , y = ± .
Ist Im(d) > 0, so ist wegen 2 x y = Im(d) in diesen Ausdrücken entweder zweimal „+“ oder zweimal „−“ als Wahl von ± möglich. Ist Im(d) < 0, so ist nur eine gemischte Wahl von „+“ und „−“ möglich. Ist Im(d) = 0, so können wir das Vorzeichen beliebig wählen (es gilt dann x = 0 oder y = 0).
Wir haben damit in Abhängigkeit des Vorzeichens von Im(d) je zwei Lösungskandidaten gefunden. Einsetzen in z2 = d zeigt, dass diese Kandidaten tatsächlich Lösungen sind. Zusammenfassend erhalten wir:
Satz (komplexe Lösungen reinquadratischer Gleichungen)
Sei d ∈ ℂ. Dann hat die Gleichung z2 = d die beiden Lösungen
(+) w1/2 = ± (, σ ),
wobei σ = 1, falls Im(d) ≥ 0 und σ = −1, falls Im(d) < 0.
Vektoriell gelesen liefert (+) für d = (Re(d), Im(d)) = (x, y) ∈ ℝ2 mit |d| = 1 trigonometriefreie Winkelhalbierungsformeln für normierte Vektoren.