Die geometrischen Reihen

 Zu den bedeutendsten Reihen der Analysis zählen:

Definition (geometrische Reihen)

Für jedes x  ∈   heißt n xn die geometrische Reihe für x.

 Die Summanden sind also die nichtnegativen Potenzen einer festen Basis.

Beispiele

n (1/2)n  =  1  +  1/2  +  1/4  +  1/8  +  …,

n (−1/3)n  =  1  −  1/3  +  1/9  −  1/27  ±  …,

n 2n  =  1  +  2  +  4  +  8  +  16  +  …

 Für alle x ≥ 0 ist n xn monoton steigend und für alle x  ∈  [ −1, 0 ] ist n xn eine rechtsstartende Pendelfolge.

 Wir untersuchen nun das Konvergenzverhalten der geometrischen Reihen nach der zweiten der oben vorgestellten Methoden. Eine direkte Berechnung der Partialsummen ist überraschend leicht möglich:

Satz (endliche geometrische Summen)

Für alle x  ∈   mit x ≠ 1 und n  ∈   gilt

k ≤ n xk  =  1 − xn + 11 − x,  1 ≤ k ≤ n xk  =  x (1  −  xn)1 − x  =  x − xn + 11 − x.

Beweis

Für alle x  ∈   (auch für x = 1) und alle n  ∈   gilt

1 − xn + 1  =  (1 − x) (x0 + … + xn),  x − xn + 1  =  (1 − x) (x1 + … + xn).

 Die Produktdarstellung

1  −  xn + 1  =  (1  −  x) · (x0  +  …  +  xn)

ist ein Spezialfall der Produktdarstellung

yn + 1  −  xn + 1  =  (y  −  x) · (yn x0  +  yn − 1 x1  +  …  +  y1 xn − 1  +  y0 xn),

die wir im Beweis des Satzes über die Abspaltung der Nullstellen eines Polynoms verwendet haben. In der Tat ist ja 1 eine Nullstelle des Polynoms f :    mit f (x) = 1 − xn + 1 für alle x. Diese rein algebraisch begründete Faktorisierung gehört wohl zu den wirkungsvollsten Miniaturen der Mathematik.

 Durch Grenzübergang erhalten wir:

Korollar (Konvergenz der geometrischen Reihe)

Die geometrische Reihe divergiert für alle x mit |x| ≥ 1 und konvergiert für alle x mit |x| < 1. Für alle x mit |x| < 1 gilt

n xn  =  11 − x,  n ≥ 1 xn  =  x1 − x.

Beweis

Für alle x mit |x| < 1 gilt limn xn + 1 = 0 und daher

n xn  =  limn 1 − xn + 11 − x  =  11 − x

Analoges gilt für die zweite Reihe.

 Wir betrachten nun einige konkrete Werte für x.

Beispiele

Für x = 1/2 erhalten wir

n ≥ 1 12n  =  12  +  14  +  18  +  …  =  12(1 − 1/2)  =  1.

Dieses Ergebnis lässt sich mit Hilfe eines Kuchens veranschaulichen, der nach der Regel „der Nächste erhält die Hälfte von dem, was noch übrig ist“ verteilt wird. Ebenso können wir

n ≥ 1 14n  =  14  +  116  +  164  +  …  =  14(1 − 1/4)  =  13

mit Hilfe der Viertelung von gleichseitigen Dreiecken veranschaulichen. Die grauen Dreiecke haben 1/4, 1/16, … der Fläche des großen Dreiecks und zusammengenommen ein Drittel seiner Fläche.

analysis1-AbbID55a

Kreiszerlegung zu n ≥ 1 12n  =  1

analysis1-AbbID55b

Dreieckszerlegung zu n ≥ 1 14n  =  13

Auch Visualisierungen für negative x sind möglich. Das folgende Diagramm illustriert zum Beispiel die Summe

n (12)n  =  1  −  12  +  14  −  18  ±  …  =  11 − (−1/2)  =  23.

analysis1-AbbID56

Quadratzerlegung zu

n (−1)n 12n  =  23.

Die grauen Flächen entsprechen den zu Paaren zusammengefassten Summanden der Reihe. Ihre Inhalte sind jeweils 2/3 der Inhalte der winkelförmigen Zerlegungsflächen des Quadrats.

Der Leser mag versuchen, auch andere Summen zu visualisieren, etwa

n (13)n  =  1  −  13  +  19  −  127  ±  …  =  11 − (−1/3)  =  34.