Unendliche Dezimalbrüche als Reihen
Wir hatten im ersten Abschnitt unendliche Dezimalbrüche als Suprema definiert durch
n, d1 d2 d3 … = sup { n, d1… dk | k ≥ 1 }
für alle n ∈ ℕ und alle Folgen (di)i ∈ ℕ in { 0, …, 9 }. Nach Definition gilt weiter
n, d1 … dk = n + ∑1 ≤ i ≤ k di/10i für alle k ≥ 1.
Da die Näherungsbrüche n, d1 … dk monoton in k wachsen, erhalten wir die Reihendarstellung
(+) n, d1 d2 d3 … = n + ∑i ≥ 1 di/10i.
Oft wird (+) sogar zur Definition von Dezimalbrüchen verwendet. Durch die Doppelbedeutung des Summensymbols wird automatisch auch die Doppelbedeutung der Dezimalnotation n, d1 d2 d3 … eingefangen: Sie bedeutet sowohl die Reihe (hier die Folge der Partialsummen (n, d1 … dk)k ∈ ℕ) als auch ihren Grenzwert (eine reelle Zahl im Intervall [ n, n + 1 ]). Endliche Dezimalbrüche erhalten wir durch Nullfortsetzung
n, d1 … dk = n, d1 … dk 0 0 0 …
Dieser Zugang ist kurz und elegant, setzt aber ein im Vergleich zum Supremum größeres Vorwissen über Folgen und Reihen voraus. Und die Definition von endlichen Dezimalbrüchen als speziellen unendlichen Dezimalbrüchen mag auch weniger intuitiv erscheinen als die Erweiterung von endlichen Dezimalbrüchen. Unabhängig von verschiedenen Zugängen (die ja letztendlich immer in den gleichen Raum führen) ist die Reihenform unentbehrlich. Ein wichtiges Beispiel liefern die periodischen Dezimalbrüche:
Einsatz der geometrischen Reihen
Für alle x ∈ ] −1, 1 [ gilt ∑n ≥ 1 xn = x/(1 − x) (geometrische Reihe ab 1). Speziell gilt für alle k ≥ 1:
∑n ≥ 1 1(10k)n = 1/10k1 − 1/10k = 19 …9 mit k − 1 Neunen.
Wir erhalten also:
0,111… = ∑n ≥ 1 1/10n = 1/9,
0,999… = ∑n ≥ 1 9/10n = 9 ∑n ≥ 1 1/10n = 9 · 1/9 = 1,
0,431431431… = ∑n ≥ 1 431/1000n = 431 ∑n ≥ 1 1/1000n = 431/999.
Allgemeiner lässt sich mit Hilfe der geometrischen Reihen einsehen, dass jeder periodische Dezimalbruch eine rationale Zahl darstellt. Die Periode kann dabei rein sein wie in 0,747474… oder gemischt wie in 0,2366123123123… Umgekehrt lässt sich jede rationale Zahl als unendlicher periodischer Dezimalbruch darstellen (wobei die Nullperiode zugelassen ist). Der Grund hierfür ist, dass sich bei der wiederholten Division mit Rest die Reste irgendwann wiederholen, wodurch ein periodischer Verlauf der Nachkommaziffern entsteht. Insgesamt ergibt sich:
Satz (Hauptsatz über Dezimalbrüche)
Sei x eine positive reelle Zahl. Dann gilt:
(a) | Ist x rational und von der Form n/(2k 5m) mit n ≥ 1 und k, m ∈ ℕ, so besitzt x genau zwei Dezimaldarstellungen. Die eine ist endlich und die andere unendlich mit der Periode 9. |
(b) | Ist x rational, aber nicht von der Form n/(2k 5m), so besitzt x eine eindeutige Dezimaldarstellung. Diese ist unendlich und periodisch. |
(c) | Ist x irrational, so besitzt x eine eindeutige Dezimaldarstellung. Diese ist unendlich und nicht periodisch. |
Insbesondere ist jeder unendliche nicht periodische Dezimalbruch irrational.
Wir diskutieren dieses Ergebnis und seinen Beweis in den Ergänzungen genauer. Dabei ergeben sich überraschend schwierige Periodenfragen mit zum Teil ungelösten Vermutungen:
Beispiel
Für die Primzahlen 7, 13 und 17 gilt
1/7 = 0,142857
1/13 = 0,076923
1/17 = 0,0588235294117647
mit den minimalen Periodenlängen 6, 6, 16. Aufgrund der Wiederholung von Resten kann die minimale Periodenlänge von 1/p nicht größer als p − 1 sein. Die Dezimalbruchdarstellungen von 1/7 und 1/17 sind in diesem Sinne maximal kompliziert. Für 1/7 erhalten wir beispielsweise die Restfolge 3, 2, 6, 4, 5, 1 mit
10 = 1 · 7 + 3, | 30 = 4 · 7 + 2, | 20 = 2 · 7 + 6, |
60 = 8 · 7 + 4, | 40 = 5 · 7 + 5, | 50 = 7 · 7 + 1. |
Es ist eine bislang nicht bewiesene Vermutung, dass es unendlich viele Primzahlen p gibt derart, dass 1/p die minimale Periodenlänge p − 1 besitzt.