7. Die Exponentialreihe
Die geometrische Reihe ∑n xn konvergiert für alle x ∈ ] −1, 1 [ und divergiert für alle x mit |x| ≥ 1. Skalieren wir die Potenzen xn, so erhalten wir Reihen der Form ∑n an xn, sog. Potenzreihen. Konvergieren die Koeffizienten an sehr schnell gegen 0, so können wir erwarten, dass die Reihe ∑n an xn für alle x konvergiert. Natürliche Kandidaten für derartige Koeffizienten sind
an = 12n, an = 1nn bzw. an = 1n!.
Für die erste Wahl gilt
∑n xn2n = ∑n (x/2)n,
sodass wir im Vergleich zur geometrischen Reihe nichts wirklich Neues erhalten (der Konvergenzbereich ist nun ] −2, 2 [). Analoges gilt für die Nenner 3n, 4n, …, kn, … mit k ∈ ℕ. Das Wurzelkriterium zeigt dagegen, dass die Reihe
∑n xnnn
auf ganz ℝ konvergiert. Der Reihe kommt aber in der Analysis (zumindest bislang) keine große Bedeutung zu. Das Gegenteil gilt für die Reihe
∑n xnn!,
die oft als wichtigste Reihe der Analysis bezeichnet wird:
Definition (Exponentialreihe)
Für alle x ∈ ℝ heißt
∑n xnn! = 1 + x + x22 + x36 + …
die Exponentialreihe für x.
Wie erhofft konvergiert diese Reihe für alle x:
Satz (Konvergenz und Restgliedabschätzung der Exponentialreihe)
Sei x ∈ ℝ. Dann konvergiert ∑n xn/n! absolut und es gilt
| ∑n ≥ n0 xnn! | ≤ für alle n0 mit n0 ≥ 2|x| − 1.
Beweis
Für x = 0 gilt exp(x) = 1 und die Abschätzung. Sei also x ≠ 0. Dann gilt
| xn + 1/(n + 1)!xn/n! | = | x |n + 1 für alle n.
Damit folgt die absolute Konvergenz aus dem Quotientenkriterium, da
|x|n + 1 ≤ 12 für alle n mit n + 1 ≥ 2 |x|.
Mit der Quotientenschranke 1/2 gilt nach der Abschätzung im Quotientenkriterium für jedes n0 mit n0 + 1 ≥ 2|x|:
| ∑n ≥ n0 xnn! | ≤ · 11 − 1/2 = .
Zur Restgliedabschätzung
Die Restgliedabschätzung können wir auch in der Form
| exp(x) − ∑k < n xkk! | ≤ 2 |x|nn! für alle x und n mit 2 |x| ≤ n + 1.
notieren. In dieser Weise besagt sie: Der Fehler, den wir machen, wenn wir die Exponentialreihe abschneiden, ist beschränkt durch das Doppelte des Betrags des ersten vernachlässigten Summanden.
Beispiele
Bereits der noch einfach per Hand zu berechnende Wert
e5 = 1 + 1 + 12 + 16 + 124 + 1120 = 16360 = 2,71666…
approximiert die Eulersche Zahl e schon recht gut: Der Fehler ist beschränkt durch 2/6! = 1/360. Auf sieben Nachkommastellen gerundet gilt mit ek = ∑n ≤ k 1/n!:
e6 = 2,71805556, e7 = 2,71825397, e8 = 2,71827877.
Eine Computerberechnung zeigt:
e = 2,7182818284590452353602874713526624977572470936999…
Es lässt sich relativ leicht beweisen, dass e irrational ist. Wir diskutieren dies in den Übungen. Mit weitergehenden Methoden konnte Hermite 1873 zeigen, dass die Eulersche Zahl transzendent ist.
Wir wenden uns nun den Struktureigenschaften der Exponentialfunktion zu. Das Cauchy-Produkt bringt die Untersuchung in Gang: