Der Extremwertsatz von Weierstraß

 Als Nächstes zeigen wir mit Hilfe des Satzes von Bolzano-Weierstraß, dass eine auf einem kompakten Intervall definierte stetige Funktion Extremwerte annimmt. Damit beweisen wir insbesondere auch die obige Vermutung, dass eine stetige Funktion auf [ 0, 1 ] einen beschränkten Wertebereich hat.

Satz (Extremwertsatz von Weierstraß, Annahme von Maximum und Minimum)

Sei f : [ a, b ]   stetig. Dann gibt es p, q  ∈  [ a, b ] mit

(a)

f (p) ist das Maximum des Wertebereichs von f, d. h., es gilt

f (x)  ≤  f (p)  für alle x  ∈  [ a, b ],

(b)

f (q) ist das Minimum des Wertebereichs von f, d. h., es gilt

f (q)  ≤  f (x)  für alle x  ∈  [ a, b ].

Beweis

Wir finden ein p wie in (a). Die Minimumsbehauptung wird analog gezeigt. Wir setzen

Y  =  f [ [ a, b ] ]  =  { f (x) | x  ∈  [ a, b ] }.

Dann gibt es (Beweis als Übung) eine monoton steigende Folge (yn)n  ∈   in Y mit:

(+)  Für alle y  ∈  Y existiert ein n mit y ≤ yn.

Es gilt also

limn yn  =  supn yn  =  sup(Y)  ≤  ∞.

(An dieser Stelle ist noch nicht klar, dass Y nach oben beschränkt ist. Dies wird für die Konstruktion der Folge (yn)n  ∈   nicht gebraucht.)

Wir definieren eine Folge (xn)n ∈  in [ a, b ] durch

xn  =  „ein x  ∈  [ a, b ] mit f (x) = yn“  für alle n.

Nach dem Satz von Bolzano-Weierstraß existiert eine gegen ein p  ∈  [ a, b ] konvergente Teilfolge (xin)n  ∈   von (xn)n  ∈  . Da f stetig ist, gilt

f (p)  =  f (limn xin)  =  limn f (xin)  =  limn yin  =  limn yn  =  sup(Y).

Dabei haben wir beim vorletzten Gleichheitszeichen die Monotonie von (yn)n  ∈   verwendet.

Wegen f (p) = sup(Y) nimmt also f ihr Maximum an der Stelle p an. Insbesondere ist der Wertebereich von f nach oben beschränkt.

 Das Maximum und das Minimum können mehrfach angenommen werden. Die Nullfunktion auf [ a, b ] nimmt überall ihr Minimum und ihr Maximum an.

 Die stetigen Funktionen f : ] 0, 1 ]   mit f (x) = 1/x für alle x und g :    mit g(x) = x für alle x illustrieren, dass der Satz von Weierstraß für viele andere Definitionsbereiche nicht allgemein gilt.

 Unsere Ergebnisse über das Werteverhalten stetiger Funktionen können wir elegant so zusammenfassen:

Satz (Wertebereich stetiger Funktionen auf kompakten Intervallen)

Der Wertebereich einer stetigen Funktion, die auf einem kompakten Intervall definiert ist, ist ein kompaktes Intervall.

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Die stetige Funktion f : [ a, b ]   besitzt einen größten und einen kleinsten Funktionswert f (p) = maxx  ∈  [ a, b ] f (x) bzw. f (q) = minx  ∈  [ a, b ] f (x).

Der Wertebereich von f ist nach dem Zwischenwertsatz das Intervall [ f[ q ], f[ p ] ].

 Dieser Satz enthält den Nullstellen- und Zwischenwertsatz und den Satz von Weierstraß. Ist nämlich f : [ a, b ]   stetig, so ist der Wertebereich von f nach dem Satz von der Form [ c, d ]. Die Zahl c ist das Minimum und die Zahl d das Maximum des Wertebereichs. Ist c < 0 und d > 0, so ist 0  ∈  [ c, d ], sodass f eine Nullstelle besitzt. Und allgemeiner existiert zu jedem „Zwischenwert“ y mit c ≤ y ≤ d ein x  ∈  [ a, b ] mit f (x) = y.

 Der Wertebereich der stetigen Funktion f auf ] 0, 1 ] mit f (x) = 1/x ist [ 1, ∞ [ und also kein kompaktes Intervall. Allgemein gilt aber noch:

Satz (Wertebereich stetiger Funktionen auf Intervallen, Intervallsatz)

Der Wertebereich einer stetigen Funktion, die auf einem Intervall definiert ist, ist ein Intervall.

 Der Beweis sei dem Leser überlassen. Unangenehme Fallunterscheidungen können durch Verwendung der Intervallbedingung vermieden werden.