Die Linearität

 Wir beginnen mit der anschaulich klaren Linearität des Differenzierens:

Satz (Linearität der Ableitung)

Seien f, g : P   differenzierbar in p, und seien c, d  ∈  . Dann ist die Funktion c f + d g differenzierbar in p und es gilt

(c f + d g)′(p)  =  c f ′(p)  +  d g′(p).

Beweis

Wir schreiben

f (x)  =  f (p)  +  f ′(p) (x − p)  +  r(x), 

g(x)  =  g(p)  +  g′(p) (x − p)  +  s(x)  für alle x  ∈  P.

Dann gilt für alle x  ∈  P

(c f + d g)(x)  =  (c f + d g) (p)  +  (c f ′(p) + d g′(p))(x − p)  +  c r(x)  +  d s(x),

lim p c r(x) + d s(x)x − p  =  c · 0  +  d · 0  =  0.

Nach dem Approximationssatz ist also (c f + d g)′(p) = c f ′(p) + d g′(p).

Sind also f, g : P   differenzierbar, so gilt für alle c, d  ∈  :

(c f + d g)′  =  c f ′  +  d g′,  D(c f + d g)  =  c D(f)  +  d D(g).

In der Sprache der linearen Algebra lässt sich das Ergebnis so formulieren: Die Menge U aller differenzierbaren Funktionen auf einer Menge P ⊆  ist ein Unterraum des -Vektorraums V aller reellen Funktionen auf P und die Funktion φ : U  V mit φ(f) = f ′ = D f für alle f  ∈  U ist eine lineare Abbildung.

Verwendung der o-Notation

Wir führen das Argument noch einmal mit der Landau o-Notation. Die Differenzierbarkeit von f und g bei p liest sich nun in der Form:

f (x)  =  f (p)  +  f ′(p) (x − p)  +  o(x − p)

g(x)  =  g(p)  +  g′(p) (x − p)  +  o(x − p)  für x  p

Mit den Regeln „c o(x) = o(x)“ und „o(x) + o(x) = o(x)“ erhalten wir

c f (x)  =  c f (p)  +  c f ′(p) (x − p)  +  o(x − p)

d g(x)  =  d g(p)  +  d g′(p) (x − p)  +  o(x − p)

c f (x) + d g(x)  =  c f (p)  +  d g(p)  +  (c f ′(p) + d g′(p))(x − p)  +  o(x − p)

für x  p. Die Ableitung von c f + d g an der Stelle p können wir nun ablesen: Sie ist der Koeffizient bei x − p.