Wendepunkte
Die Krümmungsbegriffe führen zu „analytisch interessanten“ Punkten:
Definition (Wendestelle, Wendepunkt)
Sei f : I → ℝ. Dann heißt ein p ∈ I eine Wendestelle und (p, f (p)) ein Wendepunkt von f, falls für ein ε > 0 mit ] p − ε, p + ε [ ⊆ I eine der beiden folgenden Aussagen gilt:
(a) | f ist konvex auf ] p − ε, p [ und konkav auf ] p, p + ε [. |
(b) | f ist konkav auf ] p − ε, p [ und konvex auf ] p, p + ε [. |
Wie üblich wird strikte Wendestelle und strikter Wendepunkt erklärt.
Ist f stetig, so kann man statt der offenen Intervalle gleichwertig abgeschlossene Intervalle in (a) und (b) verwenden.
Die Stelle p ist eine Wendestelle von f. Die Funktion f ändert dort ihr Krümmungsverhalten, f ′ die Monotonie und f ″ das Vorzeichen.
Ist f : I → ℝ differenzierbar, p eine Wendestelle von f und g die Tangente an f in (p, f (p)), so gibt es ein ε > 0, sodass eine der beiden folgenden Aussagen gilt:
(a)′ | f ≥ g auf ] p − ε, p ], f ≤ g auf [ p, p + ε ] | |
(b)′ | f ≤ g auf ] p − ε, p ], f ≥ g auf [ p, p + ε ] |
Ein Wechsel der Tangentenlage ist nicht hinreichend für einen Wendepunkt. Eine Funktion kann sich oszillierend (weder konvex noch konkav) an (p, f (p)) annähern. Multiplizieren wir die Funktionen wie im Ausblick über irreguläre Extrema auf der positiven x-Achse mit −1, so ergeben sich entsprechende Beispiele.
Unsere Ergebnisse über die Bestimmung der Krümmung zeigen:
Satz (notwendiges Kriterium für Wendepunkte)
Sei f : I → ℝ zweimal differenzierbar, und sei p ∈ I eine Wendestelle von f.
Dann gilt f ″(p) = 0.
Beweis
Sei ε > 0 derart, dass f in [ p − ε, p ] und [ p, p + ε ] ein unterschiedliches Krümmungsverhalten hat. Dann gilt f ″ ≤ 0 auf einem Intervall und f ″ ≥ 0 auf dem anderen. Folglich ist f ″(p) ≤ 0 und f ″(p) ≥ 0, sodass f ″(p) = 0.
Die vierte Potenz zeigt, dass diese Bedingung nicht hinreichend ist. Ist aber f ″(p) = 0 und f ″′(p) ≠ 0, so wechselt f ″ bei p das Vorzeichen. Damit gilt:
Satz (hinreichendes Kriterium für Wendepunkte)
Sei f : ] a, b [ → ℝ dreimal differenzierbar an der Stelle p ∈ ] a, b [ mit f ″(p) = 0 und f ″′(p) ≠ 0. Dann ist p eine strikte Wendestelle von f.
Schließlich definieren wir noch:
Definition (Sattelpunkt oder Terrassenpunkt)
Sei f : I → ℝ differenzierbar. Sei p eine Wendestelle von f mit f ′(p) = 0. Dann heißt (p, f (p)) ein Sattel- oder Terrassenpunkt von f.
Beispielsweise ist der Nullpunkt ein Sattelpunkt jeder Potenzfunktion auf ℝ mit einem ungeraden Exponenten n ≥ 3.