Der Abelsche Grenzwertsatz

 Wir zeigen, dass eine Konvergenz in den Randpunkten des Konvergenzbereichs stetig erfolgt. Zum Beweis verwenden wir die Abelsche Summation.

Satz (Abelsches Konvergenzkriterium)

Seien fn, gn : P  , n  ∈  , Funktionen mit:

(a)

n fn ist gleichmäßig konvergent gegen eine Funktion f : P  .

(b)

(gn)n  ∈   ist punktweise monoton fallend.

(c)

Es gibt ein b  ∈  , sodass ∥ gn ∥ ≤ b für alle n.

Dann ist n fn gn gleichmäßig konvergent.

Beweis

Die Aussage ist klar für b = 0. Wir nehmen also an, dass b > 0. Sei ε > 0. Seien s−1 = 0 und sn = k ≤ n fk für alle n. Nach Voraussetzung (a) gibt es ein n0 mit

∥ f − sn ∥  <  ε4 b  für alle n ≥ n0.

Nach Abelscher Summation gilt aber für alle n1 ≥ n0:

n0 ≤ n ≤ n1 fn gn

  =  n0 ≤ n < n1 sn (gn − gn + 1)  +  sn1 gn1  −  sn0 − 1 gn0

  =  n0 ≤ n < n1 (sn − f) (gn − gn + 1)  +  (sn1 − f) gn1  −  (sn0 − 1 − f) gn0.

Damit gilt aber für alle x  ∈  P:

|n0 ≤ n ≤ n1 fn(x) gn(x)|

  ≤  ε4 bn0 ≤ n < n1 |gn(x) − gn + 1(x)|  +  ε/4  +  ε/4

  =(b)ε4 bn0 ≤ n < n1 (gn(x) − gn + 1(x))  +  ε/4  +  ε/4

  =  ε4 b(gn0(x) − gn1(x))  +  ε/4  +  ε/4  ≤  ε.

Dies zeigt die Behauptung.

 Damit können wir nun zeigen:

Satz (Abelscher Grenzwertsatz)

Sei n an xn eine Potenzreihe mit Konvergenzbereich K. Dann ist die Funktion f : K   mit f (x) = n an xn für alle x  ∈  K stetig.

Beweis

Sei R der Konvergenzradius der Potenzreihe. Nach unseren Ergebnissen über das Konvergenzverhalten ist nur noch zu zeigen:

(a)

Ist R  ∈  K, so ist f stetig in R.

(b)

Ist − R  ∈  K, so ist f stetig in − R.

Beweis von (a)

Sei R  ∈  K. Wir zeigen, dass die Potenzreihe n an xn gleichmäßig auf [ 0, R ] konvergiert. Es gilt:

n an xn  =  n (an Rn) (xR)n.

Dann sind aber die Voraussetzungen des Abelschen Konvergenzkriteriums für P = [ 0, R ] und die Funktionen

fn(x)  =  an Rn, 

gn(x)  =  (xR)n  für alle x  ∈  P und n  ∈  

erfüllt: (a) gilt für die konstanten Funktionen fn wegen R  ∈  K, (b) ist klar und (c) gilt mit der Schranke b = 1.

Beweis von (b)

Sei − R  ∈  K. Die Potenzreihe n (−1)n an xn konvergiert für alle x  ∈  [ 0, R ] gegen

f (−x)  =  n an (−x)n.

Die Funktion f ∘ (−id) ist nach dem bereits Bewiesenen stetig auf [ 0, R ]. Also ist f stetig auf [ −R, 0 ].

 Der Beweis zeigt unabhängig von den obigen Ergebnissen über das Konvergenzverhalten von Potenzreihen: Konvergiert eine Potenzreihe n an xn in den Punkten r1, r2 mit r1 ≤ 0 ≤ r2, so konvergiert sie gleichmäßig auf dem abgeschlossenen Intervall [ r1, r2 ].

 Wenden wir den Abelschen Grenzwertsatz auf die Logarithmus-Reihe an, so erhalten wir einen neuen Beweis für die Summe der alternierenden harmonischen Reihe:

Satz (Reihendarstellung von log(2))

1  −  12  +  13  −  14  ±  …  =  log(2).

Beweis

Die Logarithmus-Reihe n ≥ 1 (−1)n − 1 xn/n konvergiert nach dem Leibniz-Kriterium für alternierende Reihen im Punkt 1. Aufgrund des Abelschen Grenzwertsatzes und der Stetigkeit des Logarithmus im Punkt 2 gilt

analysis1-AbbID187

sn  =  1 ≤ k ≤ n (−1)k −  1k

n ≥ 1 (−1)n − 1n

 =  lim 1 n ≥ 1 (−1)n − 1 xnn

 =  lim 1 log (x + 1)

 =  log(2).

 Angewendet auf die Arkustangens-Reihe liefert der Abelsche Grenzwertsatz eine weitere bemerkenswerte Reihendarstellung:

Satz (Reihendarstellung von π/4, Mādhava-Leibniz-Reihe)

1  −  13  +  15  −  17  ±  …  =  π4(Mādhava-Leibniz-Reihe)

Beweis

Wie eben erhalten wir:

analysis1-AbbID188

sn  =  k ≤ n (−1)k2k + 1

n (−1)n2n + 1

 =  lim 1 n (−1)n2n + 1  x2 n +1

 = lim 1 arctan(x)

 = arctan(1)  =  π4.

 Mit den Reihendarstellungen für die reellen Zahlen log(2) und π/4 haben wir zwei Juwelen der Analysis ans Licht gebracht, die vielleicht weniger hell leuchten als die Eulersche Identität ei π + 1 = 0, die sie aber an magischer Aura vielleicht sogar noch übertreffen.