E1
Irrationale Verhältnisse in geometrischen Figuren
Wir vergleichen zunächst die Beweise der Irrationalität von .
Ergänzungsübung 1
Vergleichen Sie den klassischen Beweis von Euklid mit dem mit Hilfe des Zweifaktors geführten Beweis. Welche zahlentheoretischen Eigenschaften werden benutzt? Welche Verallgemeinerung lässt das Argument zu? Welche Analogien bestehen zum Beweis des Satzes von Gauß?
Ergänzungsübung 2
Welche Eigenschaften werden im Vergleich zu den anderen Beweisen im dritten (mit Hilfe des Prinzips vom kleinsten Element geführten) Beweis benutzt? Lässt sich das Argument verallgemeinern? Formulieren Sie den Beweis zudem in Form einer starken Induktion.
In unseren Beweisen der Irrationalität der Quadratwurzel aus 2 und des Satzes von Gauß haben wir arithmetische und algebraische Eigenschaften benutzt, um zu zeigen, dass gewisse Zahlen nicht die Form n/m haben können. Im Folgenden wollen wir Verhältnisse, die in geometrischen Figuren auftreten, mit Hilfe einer rein geometrischen Argumentation als irrational erkennen. Der Überlieferung zufolge sind irrationale Verhältnisse sogar in dieser Weise von den Pythagoreern entdeckt worden.
Entscheidendes Hilfsmittel ist die Wechselwegnahme oder der Euklidische Algorithmus. Dieser Algorithmus arbeitet in jedem Schritt mit zwei positiven reellen Größen a und b und führt folgende Aktion durch:
„Ziehe die kleinere von der größeren Größe ab.“
(Iterationsvorschrift für den Euklidischen Algorithmus)
Ist a < b, so wird also a von b abgezogen, und die Anweisung hinterlässt dann die Größen a und b − a. Ist b < a, so wird das Paar b und a − b erzeugt. Sind die beiden neuen Größen gleich, so stoppt der Algorithmus. Andernfalls wird die Anweisung für die beiden neuen Größen wiederholt.
Im Allgemeinen wird die kleinere Größe mehr als einmal in die größere hineinpassen und damit eine Zeit lang der „aktuelle Maßstab“ bleiben. Sobald der verbliebene Rest aber kleiner wird als der aktuelle Maßstab, wird dieser Rest zum „neuen Maßstab“, mit dem nun der alte Maßstab gemessen wird. Diese Überlegung erklärt die Bezeichnung „Wechselwegnahme“. In der Tat ist es interessant mitzuschreiben, wie oft der aktuelle Maßstab jeweils in die aktuell zu messende Größe hineinpasst.
Aus der Schule wird dem Leser vielleicht der Euklidische Algorithmus, angewendet auf zwei natürliche Zahlen n und m, bekannt sein. Er liefert den größten gemeinsamen Teiler von n und m. Für n = 30 und m = 75 lautet die Folge der produzierten Zahlenpaare zum Beispiel (30, 75), (30, 45), (30, 15), (15, 15), und 15 ist der größte gemeinsame Teiler von 30 und 75. Dies müssen wir für das Folgende aber gar nicht wissen. Entscheidend ist:
Satz (nichtabbrechende Wechselwegnahme)
Bricht die Wechselwegnahme für zwei positive reelle Zahlgrößen a und b nicht ab, so ist a/b irrational.
Ergänzungsübung 3
Beweisen Sie diesen Satz.
[ Hinweis: Argumentieren Sie indirekt: Ist a/b rational, so bricht das Verfahren ab. ]
Es gilt auch die Umkehrung: Ist a/b irrational, so bricht die Wechselwegnahme nicht ab. Für unser Ziel genügt aber die Aussage des Satzes. Wir betrachten zwei Größen a und b einer geometrischen Figur und argumentieren geometrisch, dass die Wechselwegnahme für diese Größen nicht abbrechen kann. Dies gelingt durch den Nachweis, dass die Wechselwegnahme ähnliche geometrische Figuren erzeugt und dadurch immer wieder die gleichen Messvorgänge produziert. Wir wollen diese Strategie am Quadrat und weiter dann am Pentagon durchführen.
Wir beginnen mit einem Quadrat mit Seitenlänge a und Diagonale d.
Ergänzungsübung 4
Zeigen Sie durch geometrische Argumentation, dass die Wechselwegnahme für das Paar a, d nicht abbricht.
[ Hinweis: Betrachten und ergänzen Sie die Figur im obigen Diagramm. ]
Als zweites Beispiel betrachten wir ein regelmäßiges Fünfeck (Pentagon) der Seitenlänge a und den durch die Diagonalen der Länge d des Fünfecks erzeugten Fünfstern (Pentagramm). Hierzu konstruieren wir zunächst ein Pentagon mit Zirkel und Lineal wie folgt:
Wir zeichnen einen Kreis mit Radius r und Mittelpunkt M. Die halbe Mittelsenkrechte über M liefert den Punkt A und die Winkelhalbierende des Winkels MAB den Punkt C. Schließlich erzeugt die Senkrechte über C den Punkt D. Die Strecke BD bildet nun die Seite eines in den Kreis einbeschriebenen Pentagons.
Ergänzungsübung 5
Beweisen Sie, dass BD ein Pentagon erzeugt.
Damit können wir also mit Zirkel und Lineal folgende Figur konstruieren. Hierbei sei a die Länge der Seiten des Pentagons und d die Länge der Seiten des zugehörigen Pentagramms, das durch die Verbindung je zweier Ecken des Pentagons entsteht.
Ergänzungsübung 6
Zeigen Sie durch geometrische Argumentation, dass die Wechselwegnahme für das Paar a, d nicht abbricht.