Die Taylor-Formel mit integralem Restglied
In der Differentialrechnung hatten wir das Restglied im Satz von Taylor in der Lagrange-Form angegeben, in der gewisse nicht weiter spezifizierte Zwischenstellen auftauchten. Das Ergebnis lautete: Bei hinreichend guter Differenzierbarkeit von f : I → ℝ gilt
f (x) = Tnp f (x) + f (n + 1)(ξ)(n + 1)! (x − p)n + 1,
mit einem von x abhängigen Punkt ξ zwischen x und dem Entwicklungspunkt p und dem Taylor-Polynom Tnpf : ℝ → ℝ n-ter Ordnung mit
Tnp f (x) = ∑k ≤ nf (k)(p)k! (x − p)k für alle x ∈ ℝ.
Die Lagrangesche Form hatte Anwendungen, aber sie bleibt durch die Darstellung des Restglieds unbefriedigend. Der Hauptsatz ermöglicht nun einen einfachen Beweis einer Formel, in der das Restglied durch ein Integral exakt erfasst wird. Dieser Beweis zählt zu den Juwelen der Analysis. Der Hauptsatz erscheint als der Spezialfall der Ordnung Null und die Taylor-Polynome werden durch partielle Integration induktiv aufgebaut, also durch den Beweis gefunden.
Satz (Satz von Taylor, Integralform des Restglieds)
Sei f : I → ℝ (n + 1)-mal stetig differenzierbar, und sei p ∈ I.
Dann gilt für alle x ∈ I:
f (x) = Tnp f (x) + 1n! ∫xp(x − t)n f (n + 1)(t) dt.
Das Lagrange-Restglied lässt sich aus dem integralen Restglied durch eine Anwendung des Mittelwertsatzes der Integralrechnung gewinnen, sodass sich unsere alte Form aus der neuen rekonstruieren lässt.
Beweis
Wir zeigen die Aussage durch Induktion nach n.
Induktionsanfang n = 0:
Zu zeigen ist, dass für alle x ∈ I gilt:
f (x) = f (p) + 10! ∫xp(x − t)0 f (1)(t) dt = f (p) + ∫xpf ′(t) dt.
Da f ′ stetig ist, folgt dies unmittelbar aus dem Hauptsatz.
Induktionsschritt von n − 1 nach n für n ≥ 1:
Für x ∈ I gilt nach Induktionsvoraussetzung und partieller Integration:
f (x) | = Tn − 1p f (x) + 1(n − 1)! ∫xp(x − t)n − 1 f (n)(t) dt |
= Tn − 1p f (x) − ∫xp((x − t)nn!)′ f (n)(t) dt | |
= Tn − 1p f (x) − + ∫xp(x − t)nn! f (n + 1)(t) dt | |
= Tn − 1p f (x) + f (n)(p) (x − p)nn! + 1n! ∫xp(x − t)n f (n + 1)(t) dt | |
= Tnp f (x) + 1n! ∫xp(x − t)n f (n + 1)(t) dt. |
Beispiele
(1) | Für f (x) = exp(x), p = 0 und x = 1 liefert der Satz von Taylor: e − ∑k ≤ n1k! = 1n! ∫10(1 − t)n et dt. gn(t) = (1 − t)n et |
(2) | Für n ≥ 1 gilt dndxn log(x + 1) = (−1)n − 1 (n − 1)!(1 + x)n. Mit f (x) = log(x + 1), p = 0, x = 1 erhalten wir log(2) − ∑1 ≤ k ≤ n(−1)k − 1k = ∫10(t − 1)n(t + 1)n + 1 dt. hn(t) = (t − 1)n(t + 1)n + 1 Die Integrale streben gegen 0, wenn n gegen unendlich strebt. Damit erhalten wir erneut den Grenzwert log(2) der alternierenden harmonischen Reihe 1 − 12 + 13 − 14 ± … |