Das uneigentliche Riemann-Integral

 Wir erweitern die Definition des Integrals durch Grenzübergänge:

Definition (uneigentliche Riemann-Integrale)

Sei f : [ a, b [   eine lokal integrierbare Funktion mit −∞ < a ≤ b ≤ ∞. Dann setzen wir im Fall der Existenz:

I(f)  =  baf  =  lim b caf   ∈  [ −∞, ∞ ].

Wir nennen dann die Funktion f uneigentlich (Riemann-) integrierbar und I(f) das uneigentliche (Riemann-)Integral von f.

Analog wird das uneigentliche Riemann-Integral für eine lokal integrierbare Funktion f : ] a, b ]   mit −∞ ≤ a ≤ b < ∞ erklärt.

Schließlich definieren wir das uneigentliche Riemann-Integral für eine lokal integrierbare Funktion f : ] a, b [   mit −∞ ≤ a < b ≤ ∞ im Fall der Existenz durch

I(f)   =   baf   =   saf  +  bsf   ∈  [ −∞, ∞ ],

für ein beliebiges s  ∈  ] a, b [. Wir setzen hierbei voraus, dass die rechte Seite keine undefinierte Summe der Form −∞ + ∞ oder ∞ − ∞ ist.

 Dass die letzte Definition unabhängig von der verwendeten Zwischenstelle s ist, folgt aus der Aufspaltungseigenschaft.

analysis2-AbbID296

Das uneigentliche Integral wird für f : ] a, b [   durch zwei unabhängige

Grenzübergänge erklärt. Die Zwischenstelle s ist beliebig.

 Die meisten der elementaren Eigenschaften des Integrals bleiben auch für die uneigentlichen Integrale erhalten, so etwa die Linearität, die Monotonie und die Aufspaltungseigenschaft. Dagegen lässt sich ein uneigentliches Integral im Allgemeinen nicht mehr als „Fläche des Positivteils minus Fläche des Negativteils“ auffassen. Entsprechende Beispiele werden wir in den Übungen diskutieren.

 Auch der Jordan-Inhalt lässt sich für gewisse unbeschränkte Teilmengen P der Ebene definieren. Wir setzen hierzu im Fall der Existenz:

J(P)  =  lim ∞ J(P ∩ [ −n, n ]2)   ∈   [ 0, ∞ ].

Durch diese Erweiterung entspricht der Jordan-Inhalt nicht mehr vollkommen dem Riemann-Integral. Die Funktion f : [ −1, 1 ]   mit

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f (x)  =  |x|−1/2

für x ≠ 0 und f (0) = 0 schließt zum Beispiel mit der x-Achse ein Jordan-messbares unbeschränktes P mit

J(P)  =  2 10x−1/2 dx  =  4

ein. Die Funktionen f|] 0, 1 ] und f|[ −1, 0 [ sind uneigentlich integrierbar, nicht aber f, da jede uneigentlich integrierbare Funktion per Definition auf jedem kompakten Intervall integrierbar und damit dort beschränkt ist. Eine nochmalige Erweiterung der Definition des uneigentlichen Riemann-Integrals ist möglich. Wir verzichten hier auf eine Durchführung, erwähnen aber, dass Riemann in seiner Originalarbeit, in der er das heute nach ihm benannte Integral diskutiert hat, derartige Fälle zulässt und also die Funktion f integrieren würde.