Die p-Normen

 Zu den wichtigsten Normen gehören:

Definition (p-Normen)

Sei V = n oder V = n, n ≥ 1. Dann setzen wir für alle x = (x1, …, xn)  ∈  V:

∥ x ∥1  =  1 ≤ k ≤ n |xk|, (Summennorm, 1-Norm)

∥ x ∥2  =  (|x1|2  +  …  +  |xn|2)1/2, (euklidische Norm, 2-Norm)

∥ x ∥  =  max1 ≤ k ≤ n |xk|. (Maximumsnorm, ∞-Norm)

Weiter definieren wir für eine reelle Zahl p ≥ 1:

∥ x ∥p  =  (1 ≤ k ≤ n |xk|p)1/p. (p-Norm)

 Die wichtigsten Fälle sind, wie in der Definition hervorgehoben, p = 1, p = 2 und p = ∞, und der Leser kann sich auf diese Fälle konzentrieren. Es ist aber instruktiv, diese Normen unter einem allgemeinen Dach zu behandeln. Warum die Maximumsnorm mit dem Index ∞ versehen wird und als p-Norm gilt, klärt:

Bemerkung

Für alle n ≥ 1 und x  ∈  n gilt mit s = ∥ x ∥:

lim ∞ ∥ x ∥p  =  s lim ∞ (1 ≤ k ≤ n |xk/s|p)1/p  =  s 1  =  ∥ x ∥.

Denn es gilt |xk/s| ≤ 1 für alle k und |xk*/s| = 1 für ein k*, sodass die Summe in [ 1, n ] liegt. Damit konvergiert die Summe hoch 1/p für p  ∞ gegen 1.

 Die folgenden Diagramme illustrieren die p-Normen für die sechs p-Werte 1, 3/2, 2, 3, 10 und ∞ im 2. Gezeigt sind die deformierten Kreise

Mp, r  =  { ∥ (x, y) ∥p (x, y) | ∥ (x, y) ∥2 = r },  wobei  r = 1/2, 1, 3/2.

analysis2-AbbID363a

1-Norm

analysis2-AbbID363b

1,5-Norm

analysis2-AbbID365a

2-Norm

analysis2-AbbID365b

3-Norm

analysis2-AbbID365c

10-Norm

analysis2-AbbID365d

∞-Norm

 Dass die Abbildungen ∥ · ∥ p für alle p ≥ 1 tatsächlich Normen sind, ist keineswegs trivial. Für p = 2 wird zum Beweis der Dreiecksungleichung die Ungleichung von Cauchy-Schwarz verwendet:

|〈 z, w 〉|  =  |1 ≤ k ≤ n zkwk|  ≤  ∥ z ∥2 ∥ w ∥2  für alle z, w  ∈  n.

Für p ≥ 1 brauchen wir die allgemeinere Hölder-Ungleichung:

Satz (Hölder-Ungleichung)

Für n ≥ 1, z, w  ∈  n und alle reellen p, q ≥ 1 mit 1/p + 1/q = 1 gilt

1 ≤ k ≤ n |zk wk|  ≤  ∥ z ∥p ∥ w ∥q.

Beweis

Es genügt, die Aussage für z, w mit ∥ z ∥p = ∥ w ∥q = 1 zu beweisen. Nach der Ungleichung zwischen arithmetischem und geometrischem Mittel (vgl. 4. 4 in Band 1 mit λ1 = 1/p, λ2 = 1/q, x1 = |zk|p, x2 = |wk|q) gilt:

|zk| |wk|  ≤  1p |zk|p  +  1q |wk|q  für alle 1 ≤ k ≤ n.

Also ist

1 ≤ k ≤ n |zk wk|  ≤  1p ∥ z ∥pp  +  1q ∥ w ∥qq  =  1p  +  1q  =  1.

 Die Fälle p = 1, p = 2 und p = ∞ führen zu uns bereits bekannten Metriken: Die 1-Norm induziert die Summenmetrik, die 2-Norm die euklidische Metrik und die ∞-Norm die Maximumsmetrik auf dem n bzw. auf dem n.

 Nützliche für alle x  ∈  n und x  ∈  n gültige Abschätzungen sind:

∥ x ∥1  ≤  n ∥ x ∥2   ∥ x ∥1  ≤  n ∥ x ∥
∥ x ∥2  ≤  ∥ x ∥1∥ x ∥2  ≤  n ∥ x ∥
∥ x ∥  ≤  ∥ x ∥1∥ x ∥  ≤  ∥ x ∥2

 Statt ∥ x ∥2 schreiben wir oft kurz ∥ x ∥. Ist nichts Weiteres gesagt, so sind die Räume n und n mit der euklidischen Norm versehen.

 Die p-Normen können wir nicht nur für die endlich-dimensionalen Vektorräume n und n, sondern auch für unendlich-dimensionale Funktionenräume einführen. Die Summe wird dabei durch ein Integral ersetzt.

Definition (Lp-Normen auf 𝒞([ a, b ]))

Sei [ a, b ] ⊆  ein kompaktes Intervall, und sei V = 𝒞([ a, b ]) der Vektorraum der stetigen (reell- oder komplexwertigen) Funktionen auf [ a, b ]. Weiter sei p ≥ 1. Dann setzen wir für alle f  ∈  V :

∥ f ∥p  =  ab|f(x)|pdx1/p. (Lp-Norm)

Weiter sei wieder

∥ f ∥  =  ∥ f ∥sup  =  supx  ∈  [ a, b ] |f (x)|. (L-Norm, Supremumsnorm)

 Der L-Norm sind wir bereits bei der Diskussion der gleichmäßigen Konvergenz von Funktionenfolgen begegnet (vgl. Kapitel 3. 6 in Band 1). Sie induziert die Supremumsmetrik auf 𝒞([ a, b ]).

 Die L2-Norm darf als die kontinuierliche Version der euklidischen Metrik gelten, und sie spielt für Funktionenräume eine entsprechend wichtige Rolle.

Beispiel

Wir betrachten den reellen Vektorraum V = 𝒞([ 0, 1 ]) und den Vektor f : [ 0, 1 ]   mit

f (x)  =  x  für alle x  ∈  [ 0, 1 ].

Dann gilt

∥ f ∥1  =  1/2,  ∥ f ∥2  =  1/3,  ∥ f ∥sup  =  1.