4.Topologie metrischer Räume

Die topologischen Überlegungen des ersten Kapitels können wir allgemein für metrische Räume durchführen. Wie für  beruht alles auf der Einführung von offenen Grundmengen.

Definition (Uε(x), Udε(x), offene ε-Umgebung, offene ε-Kugel)

Sei (X, d) ein metrischer Raum. Dann setzen wir für alle x  ∈  X und ε > 0:

Uε(x)  =  Udε(x)  =  { y  ∈  X | d(x, y) < ε }.

Die Menge Uε(x) heißt die offene ε-Umgebung von x oder die offene ε-Kugel um den Punkt x im Raum (X, d).

 Ist die Metrik d festgelegt, bevorzugen wir die Schreibweise Uε(x). Betrachten wir verschiedene Metriken auf X, so ist es notwendig, die Metrik anzugeben.

 Die Bezeichnung als „Kugel“ ist durch die Definition der offenen Kugel

K  =  { y  ∈  3 | ∥ y − x ∥2 < ε }

mit Mittelpunkt x und Radius ε im 3 motiviert. Im Allgemeinen ist Uε(x) aber nicht kugelförmig. Die Maximumsmetrik erzeugt zum Beispiel ε-Umgebungen, die aus geometrischer Sicht offene Quader im n sind. Dennoch ist die Bezeichnung als ε-Kugel weit verbreitet. Im Englischen findet man oft auch die Notation Bε(x) statt Uε(x), wobei „B“ für „ball“ steht.

 Mit Hilfe der offenen ε-Umgebungen können wir jedem metrischen Raum eine topologische Struktur nach dem Muster des letzten Kapitels aufprägen:

Definition (Topologie eines metrischen Raumes)

Sei (X, d) ein metrischer Raum. Dann heißt ein U ⊆ X offen, falls für alle x  ∈  U ein ε > 0 existiert mit Uε(x) ⊆ U. Weiter heißt ein V ⊆ X eine Umgebung eines Punktes x  ∈  X, falls ein offenes U existiert mit x  ∈  U ⊆ V.

Ein A ⊆ X heißt abgeschlossen, falls X − A offen ist.

 Die Darstellung einer offenen Menge in  als disjunkte Vereinigung von offenen Intervallen hat kein allgemeines Analogon. Bereits in der der Ebene 2 mit der euklidischen Metrik ist nicht jede offene beschränkte Menge eine Vereinigung von paarweise disjunkten offenen ε-Umgebungen. Überlappungen sind oft nicht zu vermeiden: Ist U das offene Quadrat ] 0, 1 [ × ] 0, 1 [ und gilt Uε(x) ⊆ U für ein x und ein ε > 0, so gibt es ein y  ∈  U, das auf dem Rand der offenen Kreisscheibe Uε(x) liegt. Dieses y kann dann nur mit einer Umgebung Uδ(x′) ⊆ U eingefangen werden, die Uε(x) überlappt.

 Die Begriffe „Häufungspunkt“ und „Inneres, Abschluss, Rand“ können wir wie für  einführen:

Definition (Häufungspunkt, P′)

Sei (X, d) ein metrischer Raum. Ein p  ∈  X heißt Häufungspunkt von P ⊆ X, falls (U − { p }) ∩ P ≠ ∅ für alle Umgebungen U von p. Wir setzen

P′  =  { p  ∈  X | p ist ein Häufungspunkt von P }.

Definition (Inneres, Rand und Abschluss)

Sei (X, d) ein metrischer Raum. Dann definieren wir für alle P ⊆ X:

int(P)  =  { p  ∈  P | P ist eine Umgebung von p }, (Inneres von P)

cl(P)  =  P  ∪  P′, (Abschluss von P)

bd(P)  =  cl(P)  −  int(P). (Rand von P)

 Genau wie früher gilt:

Satz (Charakterisierung der abgeschlossenen Mengen)

Sei (X, d) ein metrischer Raum, und sei A ⊆ X. Dann sind äquivalent:

(a)

A ist abgeschlossen.

(b)

A′  ⊆  A.

 In vollständigen metrischen Räumen gilt das folgende Analogon zum Prinzip der Intervallschachtelung:

Satz (Schachtelungsprinzip in vollständigen metrischen Räumen)

Sei (X, d) ein vollständiger metrischer Raum, und seien A0, A1, …, An, … nichtleere und abgeschlossene Teilmengen von X mit

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(a)

A0  ⊇  A1  ⊇  A2  ⊇  …  ⊇  An  ⊇  …,

(b)

limn diam(An)  =  0.

Dann besitzt ⋂n  ∈   An genau ein Element.

Beweis

Zum Beweis der Existenz sei xn ein Element von An für alle n. Nach (b) ist (xn)n  ∈   eine Cauchy-Folge in X, also existiert x = limn xn aufgrund der Vollständigkeit von X. Für alle n ist x ein Häufungspunkt der Folge (xk)k ≥ n in An. Also gilt x  ∈  An, da An abgeschlossen ist. Somit ist x  ∈  ⋂n  ∈   An.

Zum Beweis der Eindeutigkeit seien x, y  ∈  ⋂n An. Dann gilt x, y  ∈  An und damit d(x, y) ≤ diam(An) für alle n. Nach Voraussetzung (b) ist also d(x, y) = 0 und damit x = y.

 Für Leser, die den Ausblick zum Baireschen Kategoriensatz gelesen haben, bemerken wir noch, dass dieser fundamentale Satz in jedem vollständigen metrischen Raum gilt. Hierzu definieren wir wieder:

Definition (nirgends dicht)

Sei (X, d) ein metrischer Raum. Ein P ⊆ X heißt nirgends dicht, falls int(cl(P)) = ∅.

 Die Eigenschaft „int(cl(P)) = ∅“ besagt, dass der Abschluss von P keine ε-Kugeln enthält. Wie für  gilt:

Satz (Bairescher Kategoriensatz für vollständige metrische Räume)

Sei (X, d) ein vollständiger metrischer Raum, und seien Pn, n  ∈  , nirgends dichte Teilmengen von X. Dann gilt int(⋃n  ∈   Pn) = ∅.

 Der Leser mag versuchen, den Beweis für  zu übertragen.