Zusammenhang und Zusammenhangskomponenten

 Für die reellen Zahlen sind ∅ und  die einzigen Mengen, die zugleich offen und abgeschlossen sind. Eine Folgerung hieraus ist, dass es keine Zerlegung von  in zwei nichtleere offene Mengen gibt:

(+) Sind U1, U2 offen und disjunkt und ist  = U1 ∪ U2, so gilt U1 = ∅ oder U2 = ∅.

Diese Beobachtung hatten wir bereits für den topologischen Beweis des Zwischenwertsatzes benutzt. Eine stetige Funktion auf  kann keinen Wert c zwischen zwei Werten f (a) und f (b) auslassen, da andernfalls  in die beiden nichtleeren, disjunkten offenen Urbilder von ] −∞, c [ und ] c, ∞ [ unter f zerfallen würde. Ist dagegen

A  =  ] −∞, 0 [  und  B  =  ] 0, ∞ [,

so kann eine stetige Funktion g : A ∪ B   Werte zwischen zwei anderen Werten auslassen, man betrachte etwa die Indikatorfunktion 1B : A ∪ B  . Der Definitionsbereich ist hier anschaulich nicht mehr zusammenhängend, sodass das Auslassen von Werten nicht mit einem Riss erzeugt werden muss. Diese Überlegungen motivieren die folgende Definition.

Definition (zusammenhängend)

Ein metrischer Raum (X, d) heißt zusammenhängend, wenn ∅ und X die einzigen Teilmengen von X sind, die offen und abgeschlossen sind.

 Das tiefere Ergebnis zum Zwischenwertsatz lautet nun:

Satz (Erhalt des Zusammenhangs)

Sei f : (X, d)  (Y, e) stetig und surjektiv, und sei (X, d) zusammenhängend. Dann ist (Y, e) zusammenhängend.

Beweis

Sei (Y, e) nicht zusammenhängend. Dann gibt es offene, nichtleere und disjunkte U1, U2 ⊆ Y mit U1 ∪ U2 = Y. Wir betrachten

V1  =  f −1[ U1 ],  V2  =  f −1[ U2 ].

Dann sind V1 und V2 nichtleer (da f surjektiv ist), offen (da f stetig), disjunkt, und es gilt V1 ∪ V2 = X. Also ist (X, d) nicht zusammenhängend.

 Eine hübsche und für Teilräume des n zudem auch sehr anschauliche Charakterisierung des Zusammenhangs ist:

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Satz (offene Kettenbildung)

Für jeden metrischen Raum (X, d) sind äquivalent:

(a)

(X, d) ist zusammenhängend.

(b)

Ist 𝒰 eine Menge offener nichtleerer Mengen mit ⋃ 𝒰 = X und sind V1, V2  ∈  𝒰, so gibt es U1, …, Un  ∈  𝒰 mit

V1  =  U1,  V2  =  Un,  Uk  ∩  Uk + 1  ≠  ∅  für alle 1 ≤ k < n.

Beweis

(a) impliziert (b) :  Seien 𝒰, V1, V2 wie in (b). Mengen U1, …, Un in 𝒰 mit Uk ∩ Uk + 1 ≠ ∅ für alle k heißen eine Kette von U1 nach Un in 𝒰. Seien

𝒱  =  { U  ∈  𝒰 | es gibt eine Kette von V1 nach U in 𝒰 },

𝒲  =  𝒰 − 𝒱.

Dann sind V = ⋃ 𝒱 und W = ⋃ 𝒲 offen und disjunkt (!), und wegen ⋃ 𝒰 = X gilt V ∪ W = X. Wegen V1  ∈  𝒱 und X zusammenhängend ist also W = ∅ und damit V2  ∈  𝒱.

(b) impliziert (a) :  Wir argumentieren indirekt: Sind U, V ⊆ X offen, disjunkt und nichtleer mit X = U ∪ V, so ist (b) für 𝒰 = { U, V } verletzt.

 In jedem metrischen Raum können wir eine Äquivalenzrelation einführen, die uns Auskunft über die „Inseln“ des Raumes gibt:

Definition (Zusammenhangskomponenten)

Sei (X, d) ein metrischer Raum. Für alle x, y  ∈  X setzen wir x ∼ y, falls ein C ⊆ X existiert mit den Eigenschaften:

(a)

x, y  ∈  C.

(b)

Der Teilraum (C, d) ist zusammenhängend.

Für alle x  ∈  X heißt x/∼ = { y  ∈  X | x ∼ y } die Zusammenhangskomponente von x in X.

 Die Relation ∼ ist in der Tat eine Äquivalenzrelation. In einem Spezialfall hatten wir sie bereits kennengelernt: Im Beweis des Satzes, dass eine nichtleere offene Teilmenge U von  in nichtleere disjunkte offene Intervalle zerfällt, hatten wir eine Äquivalenzrelation betrachtet. Sie ist genau die Relation ∼ der obigen Definition. Die Intervalle, in die U zerfällt, sind also die Zusammenhangskomponenten von U im Sinne der obigen Definition.