Das Differential als Funktion
Im Eindimensionalen hatten wir die punktweise gebildeten Ableitungen f ′(p) einer Funktion f : P → ℝ zu einer Funktion f ′ : P → ℝ zusammengefasst. Dies ist auch im Mehrdimensionalen möglich, und zwar auf prinzipiell verschiedene, wenn auch äquivalente Weisen. Bezeichnet ℝm × n den Vektorraum aller reellen (m × n)-Matrizen, so können wir Jf als Funktion der Form
Jf : P → ℝm × n
auffassen. Jedem p ∈ P wird die Matrix Jf(p) ∈ ℝm × n zugeordnet. Wir nennen die Funktion Jf die (totale oder matrixwertige) Ableitung von f und schreiben auch wieder f ′ anstelle von Jf. Analog können wir df als eine Funktion der Form
df : P → L(ℝn, ℝm)
auffassen, wobei L(ℝn, ℝm) den Vektorraum aller linearen Abbildungen von ℝn nach ℝm bezeichnet. Jedem p ∈ P wird die lineare Abbildung df (p) ∈ L(ℝn, ℝm) zugeordnet. Wir nennen df das Differential von f. Es gilt wieder
Jf(p) x = df (p)(x) für alle p ∈ P und x ∈ ℝn,
weshalb oft Jf und df miteinander identifiziert werden. Sieht man Jf(p) lediglich als Darstellung oder Kode der „absoluten“ linearen Abbildung df (p) bzgl. einer bestimmten Basis an und interessiert man sich auch für andere Darstellungen, so dient die Unterscheidung zwischen Jf und df der Klarheit.
Die endlich-dimensionalen Vektorräume ℝm × n und L(ℝn, ℝm) können zum Beispiel durch die Spektralnormen
∥ A ∥ = sup∥x∥ ≤ 1 ∥ A x ∥ bzw. ∥ g ∥ = sup∥x∥ ≤ 1 ∥ g(x) ∥
metrisiert werden, sodass die Stetigkeit von
Jf : P → ℝm × n bzw. df : P → L(ℝn, ℝm)
erklärt ist. Jf ist genau dann stetig, wenn für alle gegen p konvergenten Folgen (pn)n ∈ ℕ in P die Matrizen Jf(pn) komponentenweise gegen Jf(p) konvergieren. Für alle p ist die Stetigkeit von Jf in p äquivalent zur Stetigkeit von df in p.
Definition (stetige Differenzierbarkeit)
Ein differenzierbares f : P → ℝm heißt stetig (total) differenzierbar in p ∈ P, wenn Jf : P → ℝm × n stetig in p ist. Ist f stetig differenzierbar an allen Stellen p ∈ P, so heißt f stetig (total) differenzierbar.
Im nächsten Kapitel werden wir ein handliches Kriterium für die stetige Differenzierbarkeit kennenlernen.
Das Differential df können wir noch etwas anders lesen. Wir definieren eine Abbildung Df : P × ℝn → ℝm durch
Df(p, x) = df (p)(x) für alle p ∈ P und x ∈ ℝn.
Die Stetigkeit von Df ist durch die euklidischen Normen auf P × ℝm und ℝn erklärt. Die Funktion Df ist genau dann stetig, wenn df stetig ist.