Parameterabhängige Integrale
Ist f : [ a, b ] × [ c, d ] → ℝ eine stetige Funktion, so können wir bei festgehaltenem „Parameter“ y ∈ [ c, d ] das Integral
g(y) = ∫baf(x, y) dx
bilden. Dies definiert eine Funktion g : [ c, d ] → ℝ, und es stellt sich die Frage, ob g differenzierbar ist. Der folgende Satz besagt, dass dies unter guten Voraussetzungen der Fall ist, und dass wir die Differentiation von g bereits vor der Integration durch partielles Ableiten des Integranden durchführen können:
Satz (Vertauschungssatz für Ableitung und Integration)
Sei f : P → ℝ, P ⊆ ℝ2, stetig differenzierbar, und sei [ a, b ] × [ c, d ] ⊆ P. Dann gilt:
(a) | ddy ∫ba f(x, y) dx = ∫ba ∂yf(x, y) dx, |
(b) | ddx ∫dc f(x, y) dy = ∫dc ∂xf(x, y) dy. |
Analoge Aussagen gelten für höhere Dimensionen.
Beweis
Wir zeigen (a). Der Beweis von (b) ist analog. Sei hierzu p ∈ [ c, d ] fest gewählt, und sei (hn)n ∈ ℕ eine beliebige Nullfolge mit p + hn ∈ [ c, d ] für alle n. Dann gilt
limn ( ∫ba f (x, p + hn) dx − ∫ba f (x, p) dx) hn−1
= limn ∫baf (x, p + hn) − f (x, p)hn dx
=(!) ∫ba limn f (x, p + hn) − f (x, p)hn dx = ∫ba ∂yf(x, p) dx.
Da (hn)n ∈ ℕ beliebig ist, zeigt dies die Behauptung, da
= limh → 0 ( ∫baf (x, p + h) dx − ∫baf (x, p) dx) h−1.
Die bei „(!)“ durchgeführte Vertauschung von Limesbildung und Integration ist aufgrund der punktweisen Konvergenz der beschränkten Funktionenfolge (gn)n ∈ ℕ, gn : [ a, b ] → ℝ mit
gn(x) = f (x, p + hn) − f (x, p)hn für alle x ∈ [ a, b ]
gegen die stetige (und damit integrierbare) Funktion g : [ a, b ] → ℝ mit
g(x) = ∂yf(x, p) für alle x ∈ [ a, b ]
gerechtfertigt. Zur punktweisen Konvergenz: Für alle n existiert nach dem Mittelwertsatz der Differentialrechnung ein pn zwischen p und p + hn mit
gn(x) = ∂yf(x, pn).
Aufgrund der Stetigkeit von g gitl also
limn gn(x) = limn ∂yf(x, pn) = ∂yf(x, p) = g(x).
Da wir den Vertauschungssatz in 1. 3 nur bei gleichmäßiger Konvergenz bewiesen hatten, zeigen wir der Vollständigkeit halber noch, dass die Funktionen gn gleichmäßig gegen g konvergieren. Sei hierzu ε > 0. Da ∂yf auf der kompakten Menge [ a, b ] × [ c, d ] gleichmäßig stetig ist, existiert ein δ > 0 mit
(+) |∂yf(x, y) − ∂yf(x, p)| < ε für alle x ∈ [ a, b ] und y ∈ Uδ(p) ∩ [ c, d ].
Ist nun n0 derart, dass |hn| < δ für alle n ≥ n0, so gilt (+) für y = pn, woraus die gleichmäßige Konvergenz der gn gegen g folgt.
Die Reihenfolge „erst ableiten, dann integrieren“ ist bei konkreten Berechnungen oftmals einfacher als „erst integrieren, dann ableiten“:
Beispiel
Sei f : [ 1, 2 ]2 → ℝ mit f(x, y) = log(xy) für alle x, y. Dann gilt
∫21 f(x, y) dx | = ∫21 log(xy) dx = |
= 2(log(2y) − 1) − (log(y) − 1) = log(y) + log(4) − 1, |
sodass
ddy ∫21 f(x, y) dx = 1y.
Einfacher ist es, erst abzuleiten und dann zu integrieren:
∂y f(x, y) = xx y = 1y , ∫21 1y dx = = 1y.