Divergenz eines Vektorfeldes und Laplace-Operator
Die Jacobi-Matrix Jg(p) eines differenzierbaren n-dimensionalen Vektorfeldes g : P → ℝn in einem Punkt p ∈ P ist eine (n × n)-Matrix. Damit können alle in der linearen Algebra betrachteten Besonderheiten quadratischer Matrizen untersucht werden. Dazu gehört zum Beispiel die Spur
spur(A) = ∑1 ≤ j ≤ n ajj
einer Matrix A = (aij)1 ≤ i, j ≤ n. Die Spur einer Jacobi-Matrix Jg(p) heißt aufgrund ihrer (nicht offensichtlichen) physikalischen Bedeutung die Divergenz des Vektorfeldes f im Punkt p:
Definition (Divergenz, Quelle, Senke)
Sei g : P → ℝn ein differenzierbares Vektorfeld. Dann setzen wir für p ∈ P:
div(g)(p) = spur(Jg(p)) = ∑1 ≤ j ≤ n ∂j gj(p) = ∑1 ≤ j ≤ n ∂gj∂xj (p).
Die Funktion div(g) : P → ℝ heißt die Divergenz des Vektorfeldes g.
Gilt div(g)(p) > 0, so heißt p eine Quelle von g. Gilt div(g)(p) < 0, so heißt p eine Senke von g. Gilt div(g)(p) = 0, so heißt g quellfrei in p.
In der mathematischen Physik interpretiert man die Divergenz oft als „Quelldichte“. Sie ist ein skalares Maß für die in einem Punkt p ein- oder abfließende Menge, wobei die Strömung der Materie durch das Vektorfeld g beschrieben wird. Am Beispiel von Wasser: Gilt div(g)(p) = 0, so fließt in den Punkt p genauso viel Wasser hinein, wie von ihm wieder hinausfließt. Ist dagegen p eine Quelle des Strömungsflusses g, so wird dem Strom an der Stelle p Wasser hinzugefügt.
Mir dem Nabla-Operator ∇ = (∂1, …, ∂n) können wir die Divergenz elegant als Skalarprodukt schreiben:
div(g) = 〈 ∇, g 〉 = 〈 (∂1, …, ∂n), g 〉. (Nabla-Formulierung der Divergenz)
Beispiele
Wir betrachten die zweidimensionalen Vektorfelder obiger Diagramme.
(1) | Sei g : ℝ2 → ℝ mit g(x, y) = 2(x, −y). Dann gilt div(g)(x, y) = 2 − 2 = 0 für alle (x, y) ∈ ℝ2. |
(2) | Sei g : ℝ2 → ℝ mit g(x, y) = (cos(x), −sin(y)). Dann gilt div(g)(x, y) = −sin(x) − cos(y) für alle (x, y) ∈ ℝ2. Speziell gilt div(g)(0) = −1. |
Die Beispiele haben die Form div(g) = div(grad(f)), wir betrachten also Divergenzen von Gradientenfeldern. Im ersten Beispiel ist das Gradientenfeld quellfrei, im zweiten gilt Quellfreiheit für (x, y) nur dann, wenn sin(x) = −cos(y). Die Divergenz von Gradientenfeldern ist so bedeutsam, dass für sie ein eigener Operator eingeführt wird:
Definition (Laplace-Operator ∆ f)
Sei f : P → ℝ, P ⊆ ℝn, zweimal stetig differenzierbar. Dann setzen wir
∆f = ∇2f = div(grad(f)) = ∑1 ≤ j ≤ n ∂j ∂j f = ∑1 ≤ j ≤ n ∂j2 f.
Der Gradient erzeugt aus der reellwertigen Funktion f ein n-dimensionales Vektorfeld g auf dem Definitionsbereich von f. Die Anwendung der Divergenz führt dann wieder nach ℝ, sodass ∆f : P → ℝ. Der Laplace-Operator ist also eine skalare Funktion.
In Nabla-Schreibweise gilt:
∆f = 〈 ∇, ∇f 〉 = ∑1 ≤ j ≤ n ∂j ∂j f = 〈 (∂1∂1, …, ∂n∂n), f 〉 = 〈 ∇, ∇ 〉 f.
(Nabla-Formulierungen des Laplace-Operators)
Diese Darstellung erklärt mit Blick auf v2 = 〈 v, v 〉 für Vektoren v die Notation ∇2 = 〈 ∇, ∇ 〉 für den Laplace-Operator ∆.
Die Quellfreiheit eines Gradientenfeldes ist, wie wir in den Beispielen gesehen haben, eine besondere Eigenschaft. Wir definieren hierzu:
Definition (harmonische Funktion)
Eine zweimal stetig differenzierbare Funktion f : P → ℝ, P ⊆ ℝn, heißt eine harmonische Funktion auf P, falls
∆ f = div(grad(f)) = 0.
Die harmonischen Funktionen sind die Lösungen der sog. Potentialgleichung ∆f = 0.
Beispiele
f(x, y) = x2 − y2 ist harmonisch auf ℝ2, f(x, y) = sin(x) + cos(y) dagegen nicht. Für f(x, y) = x4 − y4 gilt ∆f(x, y) = 12(x2 − y2) und ∆∆f = 0, sodass ∆f harmonisch ist.
Schließlich definieren wir noch:
Definition (Laplace-Operator für vektorwertige Funktionen)
Ist f : P → ℝm, P ⊆ ℝn, zweimal stetig differenzierbar, so setzen wir
∆ f = (∆ f1, …, ∆ fm).
Der Laplace-Operator wird also komponentenweise angewendet.