Bestimmung einiger Fourier-Reihen
Wir betrachten nun einige Beispiele zur Illustration unserer Ergebnisse.
Beispiel 1: Die Fourier-Reihe einer Zackenfunktion
Sei f : ℝ → ℝ die 2π-periodische Funktion mit
f (x) = |x| für alle x ∈ [ − π, π ].
Wir bestimmen die Fourier-Reihe FS(f) in reeller Darstellung,
FS(f) = a0/2 + ∑k ≥ 1 (ak cos(k x) + bk sin(k x)).
Da f gerade ist, sind alle Fourier-Koeffizienten bk gleich 0. Für die Kosinus-Koeffizienten gilt:
a0 = | 1π ∫2π0f (x) cos(0 x) dx = 1π π2 = π, |
ak = | 1π ∫2π0f (x) cos(k x) dx = 1π ∫π− π|x| cos(k x) dx = |
2π ∫π0x cos(k x) dx = 2π ( − ∫π0sin(k x)k dx) = | |
2π = 2π 1k2 ((−1)k − 1) für alle k ≥ 1. |
Damit gilt also
FS(f)(x) = π2 − 4π (cos(x)12 + cos(3x)32 + cos(5x)52 + …).
Die Funktion f ist stetig und stückweise differenzierbar, sodass FS(f) punktweise gegen f konvergiert. Speziell gilt 0 = f (0) = FS(f)(0), und damit erhalten wir
π28 = 112 + 132 + 152 + … = ∑k ungerade1k2.
Mit Hilfe von Summationssätzen über Reihenprodukte können wir mit diesem Ergebnis auch die Eulersche Summe ∑n ≥ 1 1/n2 berechnen. Denn jede natürliche Zahl n ≥ 1 lässt sich eindeutig als Produkt der Form 2m k mit einem m ≥ 0 und einem ungeraden k schreiben. Damit gilt
∑n ≥ 11n2 = ∑m ≥ 0, k ungerade1(2mk)2 = ∑m ≥ 0, k ungerade14mk2
= (∑m ≥ 014m) (∑k ungerade1k2) = 11 − 1/4 π28 = π26.
Wir werden dieses Ergebnis später noch einmal mit Hilfe der Vollständigkeitsrelation erhalten.
fn(x) = π2 − 4π (cos(x)12 + cos(3x)32 + … + cos(nx)n2)
Beispiel 2: Die Fourier-Reihe einer Sprungfunktion
Sei f : ℝ → ℝ die 2π-periodische Funktion mit
Wir bestimmen wieder die reell dargestellte Fourier-Reihe FS(f). Da die Funktion f ungerade ist, sind diesmal alle Kosinus-Koeffizienten ak gleich 0. Weiter ist f (x) sin(k x) gerade für alle k ≥ 1, und damit gilt für alle k ≥ 1:
bk | = 1π ∫2π0f (x) sin(k x) dx = 1π ∫π−πf (x) sin(k x) dx |
= 2π ∫π0sin(k x) dx = − 2k π | |
= 2k π (1 − cos(π k)). |
Die Werte 1 − cos(k π) pendeln für k ≥ 1 zwischen 2 und 0 hin und her, und damit gilt
FS(f)(x) = 4π (sin(x)1 + sin(3x)3 + sin(5x)5 + …).
Die Funktion f ist stückweise differenzierbar. Da sie an ihren Unstetigkeitsstellen 0, ± π, ± 2π, … das arithmetische Mittel ihrer dortigen links- und rechtsseitigen Grenzwerte −1 und 1 annimmt, konvergiert FS(f) punktweise gegen f. Speziell gilt
1 = f(π2) = FS(f)(π2).
Da sin(k π/2) für ungerade k ≥ 1 zwischen 1 und −1 hin und her pendelt, haben wir also erneut gezeigt, dass
π4 = 1 − 13 + 15 − 17 ± … (Leibniz-Reihe)
In den Diagrammen zu dieser Fourier-Reihe können wir das bedeutsame Gibbs-Phänomen beobachten, nämlich die „Überschwinger“ an den Sprungstellen. Man kann zeigen, dass diese Überschwinger beschränkt sind, was aus den Diagrammen nicht abzulesen ist. Wir verweisen den interessierten Leser auf den mittlerweile klassischen Artikel von Edwin und Robert Hewitt: The Gibbs-Wilbraham phenomenon: an episode in Fourier analysis, Archive for the History of Exact Sciences 21, S. 129 − 160.
fn(x) = 4π (sin(x)1 + sin(3x)3 + … + sin(nx)n)
Beispiel 3: Die Fourier-Reihe einer Sägezahnfunktion
Sei f : ℝ → ℝ die 2π-periodische Funktion mit f (0) = 0 und
f (x) = π − x2 für alle x ∈ ] 0, 2π [.
In der reellen Fourier-Reihe von f verschwinden wieder alle Kosinus-Koeffizienten, da f ungerade ist. Partielle Integration liefert:
bk | = 12 π ∫2π0(π − x) sin(k x) dx |
= 12 π ( − ∫2π0cos(k x)k dx) | |
= 12 π ( 2 πk − ) = 1k − 0 = 1k. |
Erneut gilt punktweise Konvergenz von FS(f) gegen f, sodass also
f (x) = FS(f)(x) = sin(x)/1 + sin(2x)/2 + sin(3x)/3 + …
Setzen wir x = π/2, so erhalten wir noch einmal, dass
π/4 = 1 − 1/3 + 1/5 − 1/7 ± …
f21
f41
fn(x) = sin(x)1 + sin(2x)2 + … + sin(nx)n
Beispiel 4: Komplexe Fourier-Reihen
Die folgenden Diagramme zeigen f[ ℝ ] und FSn(f) [ ℝ ] für einige komplexwertige 2π-periodische f und Grade n. Zudem sind wie oben wieder die Werte FSn(f) (kπ/4) für k = 0, …, 7 markiert. Gut erkennbar sind jeweils die Mittelung und die Überschwinger an Unstetigkeitsstellen.
Bild(FS5(f))
Bild(FS10(f))
f (x) = x2π + cos(x) + i(x2π + sin(x)) für alle x ∈ [ 0, 2π [
Bild(FS6(f))
Bild(FS12(f))
f (x) = (1 + i) 1[ 0, π/2 [ + (−1 + i) 1[ π/2, π [ + (−1 − i) 1[ π, 3π/2 [ + (1 − i) 1[ 3π/2, 2 π [ für alle x ∈ [ 0, 2π [. Das Bild von f besteht nur aus den vier Punkten ±1 ± i.
Bild(FS4(f))
Bild(FS6(f))
f (x) = (x + 1/2 + i/2) 1[ 0, π [ + 2 (1 + i) 1[ π, 2 π [ für alle x ∈ [ 0, 2π [
Bild(FS5(f))
Bild(FS20(f))
f (x) = x + i sin(x) für alle x ∈ [ 0, 2π [