Die Transformationsformel
Wir haben nun mehrere Beispiele kennengelernt, wie wir Integrale in anderen Koordinatensystemen berechnen können. Der Übergang von den Achsenkoordinaten zu den neuen Koordinaten ist dabei durch eine Funktion Ψ gegeben, die Rückübersetzung durch eine Funktion Φ. Bei der Berechnung von Integralen in den neuen Koordinaten ist ein Korrektur- oder Transformationsfaktor zu berücksichtigen, der sich aus der geometrischen Natur des Koordinatenwechsels ergibt. Wir hatten ihn von Fall zu Fall anschaulich begründet. Allgemein gilt:
Satz (Transformationsformel)
Seien A, B ⊆ ℝn Jordan-messbar, und sei Φ : A → B bijektiv derart, dass Φ und Ψ = Φ−1 stetig differenzierbar sind. Dann gilt für alle integrierbaren Funktionen f : B → ℝ mit kompaktem Träger:
I(f) | = ∫Bf(x1, …, xn) dx1 … dxn |
= ∫Af ∘ Φ (y1, …, yn) |det JΦ(y)| dy1 … dyn. |
Der Korrekturfaktor an einem Punkt y ist bei der Koordinatentransformation Ψ = Φ−1 also gegeben durch den Betrag der Determinante der Jacobi-Matrix von Φ im Punkt y. Da diese Determinante die Volumenverzerrung der Linearisierung von Φ im Punkt y angibt, ist es nicht überraschend, dass dieser Faktor bei der Integration zu berücksichtigen ist. Streckt Φ den Raum im Punkt y, so staucht unsere Transformation Ψ den Raum im Punkt x = Φ−1(y), und deswegen müssen wir in der transformierten Berechnung den Punkt y mit einem entsprechend höheren Gewicht versehen, um die Stauchung auszugleichen. Analoges gilt, wenn Φ im Punkt y den Raum nicht streckt, sondern staucht.
Der Leser vergleiche die Transformationsformel mit der Substitutionsregel. Für letztere kamen wir ohne Bijektivität und ohne Betragsstriche aus. Die mehrfach durchlaufenen Bereiche löschen sich hier automatisch aus, und negative Ableitungen werden durch die Integrationsgrenzen ausgeglichen.
Zur Illustration betrachten wir die Transformationsformel für die räumlichen Polarkoordinaten. Hier gilt für alle (r, θ, φ) ∈ [ 0, ∞ [ × [ 0, π ] × ℝ:
Φ(r, θ, φ) = r (sin θ cos φ, sin θ sin φ, cos θ).
Schränken wir Φ auf die offene Menge
A = ] 0, ∞ [ × ] 0, θ [ × ] 0, 2π [
ein, so erfüllt Φ : A → B mit
B = ℝ3 − { (x, 0, z) | x ≥ 0, z ∈ ℝ }
die Voraussetzungen des Satzes. Die Menge B ist der ganze dreidimensionale Raum ohne die durch die positive x-Achse und die z-Achse definierte Halbebene, die für die Integration im Raum so unwesentlich ist wie im Eindimensionalen ein Punkt und im Zweidimensionalen eine Gerade. Die Determinante der Jacobi-Matrix von Φ in einem Punkt (r, θ, φ) ∈ A berechnet sich zu
det JΦ(r, θ, φ) =
=
= r2 cos2φ sin3θ + r2 sin2φ sin3θ + r2 cos2θ sin θ
= r2 sinθ (cos2φ sin2θ + sin2φ sin2θ + cos2θ)
= r2 sinθ,
wobei wir die Determinante durch Entwicklung nach der ersten Spalte berechnet haben. Für alle betrachteten r und θ ist r2sin θ größergleich 0, sodass
|r2 sin(θ)| = r2 sin(θ).
Damit liefert die Transformationsformel unseren anschaulich begründeten Korrekturfaktor.