1.Bezüge zur Schulmathematik

Wie in der „Analysis 1“ betrachten wir exemplarisch den Bayerischen Lehrplan für das achtjährige Gymnasium, um die direkten Schulbezüge der in diesem Buch behandelten Themen kenntlich zu machen. Neben dem Lehrplan für Mathematik (mit „M“ gekennzeichnet) ziehen wir auch den Lehrplan für Physik (mit „P“ gekennzeichnet) hinzu. Die Anordnung der Themen entspricht wieder ungefähr den Jahrgangsstufen.

Elementare geometrische Figuren und ihre Inhalte

 Ein von der fünften bis zur zwölften Klasse wiederkehrendes Thema ist die Bestimmung von Inhalten. Betrachtet werden (1) Flächeninhalte und Umfänge von elementargeometrischen Figuren im 2, (2) Volumina und Oberflächeninhalte von solchen Figuren im 3 und schließlich (3) signierte Inhalte von durch Funktionsgraphen definierten Mengen im 2. Den Ausgangspunkt bilden in der fünften Klasse Rechtecke und Quader:

„Über das Zeichnen, Auslegen und Ausschneiden geometrischer Figuren lernen die Schüler den Begriff Flächeninhalt kennen. Sie verstehen, dass zur Flächenmessung Einheiten nötig sind, und erkennen, wie sich diese aus den Längeneinheiten ergeben. Ausgehend vom Flächeninhalt des Rechtecks ermitteln sie auch Flächeninhalte anderer Figuren und Oberflächeninhalte von Körpern…“ (M 5. 4. 2)

 Betrachtet werden zunächst nur Figuren, die sich in Rechtecke zerlegen oder zu solchen ergänzen lassen, sowie Quader für Oberflächen. In der sechsten Klasse kommen dann neue Figuren hinzu:

„Ausgehend von dem Prinzip des Zerlegens und Ergänzens von Flächen [ aus der fünften Klasse ] erarbeiten die Schüler die Flächenformel für Dreieck, Parallelogramm und Trapez… Die Schüler erkennen die Inhaltsgleichheit unterschiedlicher Dreiecke, die in einer Seite und der zugehörigen Höhe übereinstimmen. Die Berechnung der Oberflächeninhalte von Körpern erfordert den Wechsel zwischen zwei- und dreidimensionaler Betrachtungsweise und fördert dadurch das räumliche Vorstellungsvermögen.“ (M 6. 3. 1)

 Zum ersten Mal werden dann auch Volumina betrachtet:

„Die Schüler lernen Volumeneinheiten sowie die Formel für den Rauminhalt des Quaders kennen und wenden dieses Wissen in unterschiedlichen Zusammenhängen an.“ (M 6. 3. 2)

Kreise und Kegel

 In der achten Klasse wird der Kreis untersucht:

[ Die Schüler lernen ] die charakteristischen Eigenschaften direkt und indirekt proportionaler Größen in mathematischer Fachsprache zu beschreiben. Dabei finden sie experimentell den Zusammenhang zwischen Kreisumfang und Durchmesser … und gewinnen so erste Näherungswerte für die Kreiszahl π.“ (M 8. 1. 1)

„Als spezielles Beispiel für einen nichtlinearen Zusammenhang beschäftigen sie sich ausgehend von anschaulichen Überlegungen mit der Abhängigkeit des Kreisinhalts vom Radius.“ (M 8. 1. 2)

 Räumliche Figuren, die über den Quader hinausgehen, werden in der neunten Klasse betrachtet:

„Eigenschaften der … Körper Prisma, Zylinder, Pyramide und Kegel werden genauer untersucht. Bei Überlegungen an Schrägbildern [ perspektivische Zeichnungen ] und Netzen [ eben ausgebreitete Oberflächen, die durch Aufschneiden und Auffalten bzw. Abwickeln entstehen ] entwickeln die Schüler ihr räumliches Vorstellungsvermögen weiter, beim Bestimmen von Oberflächeninhalten und Volumina festigen sie ihre Kenntnisse über Flächen- bzw. Raummessung…“ (M 9. 6)

Kraft, Masse und Beschleunigung

 In der Physik der neunten Klasse wird das zweite Newtonsche Gesetz und damit aus höherer Sicht eine Differentialgleichung eingeführt:

„Anknüpfend an Grundbegriffe aus der Jahrgangsstufe 7 lernen die Schüler, durch Deutung von Bewegungsdiagrammen den zeitlichen Verlauf von Bewegungen zu analysieren. Bei der Behandlung von Bewegungen mit konstanter Geschwindigkeit bzw. mit konstanter Beschleunigung wird deutlich, dass sich idealisierte Vorgänge durch mathematische Funktionen beschreiben lassen und dass so genauere Vorhersagen möglich werden. An weiterführenden Beispielen zum Zusammenhang zwischen Kraft, Masse und Beschleunigung gewinnen die Jugendlichen ein tieferes Verständnis des Kraftbegriffs.“ (P 9. 3)

Die Kugel

 In der zehnten Jahrgangsstufe wird erneut π (einschließlich der Frage der Quadratur des Kreises) betrachtet und dann auch die Kugel untersucht:

„… Näherungsverfahren zur Bestimmung der Kreiszahl π [ lassen die Notwendigkeit erkennen ] Grenzprozesse durchzuführen. Am Beispiel der Kugel wird veranschaulicht, dass ähnliche Grenzprozesse auch bei räumlichen Betrachtungen angewendet werden können… [ Die Schüler ] ermitteln Formeln für Volumen und Oberflächeninhalt der Kugel und führen bei typischen anwendungsbezogenen Fragestellungen, z. B. aus der Natur oder Architektur, Berechnungen an Körpern durch.“ (M 10. 1 und M 10. 1. 2)

Die Keplerschen Gesetze

 Im Physikunterricht der zehnten Klasse wird das Planetensystem und die Geschichte seiner Modellierung behandelt:

„Die Schüler gewinnen einen Einblick in wesentliche Entwicklungsstationen der Vorstellungen vom Aufbau unseres Planetensystems. Sie lernen auch historische Ansätze kennen, die sich später als korrekturbedürftig erwiesen haben, und solche, die sich zwar zunächst nicht durchsetzen konnten, die aber unserer heutigen Vorstellung weitgehend entsprechen…“ (P 10. 1)

 Bei der vorgesehenen „Mitteilung der Keplerschen Gesetze und Anwendung auf die Bewegungen von Himmelskörpern“ taucht ein mathematischer Flächeninhalt in einem physikalischen Gesetz auf. (Ellipsen werden im Mathematik-Lehrplan dagegen nicht explizit genannt.)

Bewegungsgleichungen

 Die genauere Untersuchung der Newtonschen Mechanik bildet einen Schwerpunkt des Physikunterrichts der zehnten Jahrgangsstufe:

„Die Grundlagen der Mechanik Newtons haben sich die Schüler bereits in den vorherigen Jahrgangsstufen erarbeitet … Sie erkennen nun den großen Fortschritt der kausal erklärenden Theorie Newtons gegenüber dem Vorgehen durch Galilei und Kepler, die für bestimmte Bewegungsabläufe zwar exakte Beschreibungen, aber keine verbindende Theorie angeben konnten.

Die Jugendlichen lernen, wie sie eine Vielfalt von Bewegungen theoretisch und experimentell untersuchen können. Hierzu werden die Einflüsse auf einen Körper analysiert und die auf ihn wirkende Gesamtkraft sowie die Anfangsbedingungen formuliert. Sie erkennen, dass die aus der Gesamtkraft und dem 2. Newton’schen Gesetz sich ergebende Bewegungsgleichung gelöst werden muss, um Vorhersagen für die Bewegung zu ermöglichen. Die Schüler haben in der Jahrgangsstufe 9 für den Sonderfall der konstanten Kraft eine analytische Lösungsmethode kennengelernt. Nun werden sie mit einer einfachen numerischen Methode vertraut gemacht… In erster Linie bestimmen sie die wirkenden Kräfte, interpretieren aus physikalischer Sicht kritisch die sich z. B. aus Simulationen ergebenden Ergebnisse und vergleichen diese mit entsprechenden experimentellen Daten…“ (P 10. 2)

 Die Methoden der Differentialrechnung werden erst im Mathematik-Unterricht der elften Klasse eingeführt und stehen deswegen noch nicht zur Verfügung. (Im Physik-Lehrplan für die elfte und zwölfte Klasse wird die Differentialrechnung jedoch auch nicht explizit erwähnt.) Die numerische Methode ist ein „Verfahren der kleinen Schritte“, die sich, wie es in einem Kommentar zum Lehrplan heißt, auf viele „Probleme anwenden lässt, die in der Physik durch gewöhnliche Differentialgleichungen beschrieben werden.“ Behandelt wird damit insbesondere die harmonische Schwingung. Auch aus mathematischer Sicht ist die Untersuchung einer Kreisbewegung mit konstanter Winkelgeschwindigkeit von Bedeutung.

Das kanonische Skalarprodukt

 In der elften Klasse lernen die Schüler das kanonische Skalarprodukt im 3 kennen und nutzen es zur Analyse von geometrischen Figuren:

„Die Schüler festigen ihre geometrischen Kenntnisse in anspruchsvolleren räumlichen Betrachtungen. In geeignet gewählten dreidimensionalen kartesischen Koordinatensystemen stellen sie Punkte sowie Körper dar und arbeiten mit Vektoren im Anschauungsraum… Fragen der Längen- und Winkelmessung führen die Schüler zum Skalarprodukt von Vektoren und dessen Anwendungen… Der praktische Nutzen von Skalar- und Vektorprodukt wird ihnen auch bei der Ermittlung von Flächeninhalten und Volumina geeigneter geometrischer Objekte deutlich.“ (M 11. 2)

Die Integralrechnung und der Hauptsatz

 Nachdem in der elften Klasse die Differentialrechnung im Mittelpunkt stand, wird in der zwölften Klasse die Integralrechnung eingeführt:

„Auf der Grundlage ihrer Kenntnisse über Grenzwerte aus Jahrgangsstufe 11 gewinnen die Schüler mit der Integration ein tragfähiges Verfahren zur Messung von Flächeninhalten…“ (M 12. 1)

 Wie im ersten Band bereits erwähnt wird in diesem Zusammenhang auch der Krümmungsbegriff entdeckt.

 Der Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung bildet traditionell einen Höhepunkt des mathematischen Lehrplans:

„Die Schüler haben in Jahrgangsstufe 11 die Ableitung einer Funktion als Möglichkeit zur Erfassung der lokalen Änderungsrate kennengelernt; sie machen sich nun bewusst, dass sich die zugehörige Gesamtänderung als Flächeninhalt unter dem Graph, der die lokale Änderungsrate beschreibt, deuten lässt. Ihre Überlegungen führen die Jugendlichen auf das bestimmte Integral und dessen Interpretation als Flächenbilanz.

Die Schüler lernen, Integrale zu berechnen und in Sachzusammenhängen anzuwenden. Dazu begründen sie den Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung mithilfe anschaulicher Überlegungen und stellen die Verbindung mit der aus Jahrgangsstufe 11 bekannten Stammfunktion her. Sie erkennen, dass Differenzieren und Integrieren Umkehroperationen sind.“ (M 12. 1. 1)

 Stetigkeitsvoraussetzungen werden im Rahmen der anschaulichen Begründung des Hauptsatzes nur am Rand thematisiert. Bei der Berechnung von Integralen wird die partielle Integration und die Substitutionsregel im Gegensatz zum älteren G9-Lehrplan nicht mehr explizit genannt.