Meromorphe Funktionen

 Wir betrachten Funktionen des Typs „holomorph bis auf Pole“. Sie verallgemeinern die rationalen Funktionen.

Definition (meromorph)

Sei P offen und nichtleer. Eine Funktion f heißt meromorph auf P, falls eine in P diskrete Menge N ⊆ P existiert mit:

(a)

f : P − N   ist holomorph.

(b)

N ist die Menge der Polstellen von f.

Die Menge aller auf P meromorphen Funktionen bezeichnen wir mit (P).

 Für den Begriff ist ein fest gewählter Bereich P wichtig. Eine Funktion ist nicht an sich meromorph, sondern nur in Relation zu einer offenen Menge P. Der Fall N = ∅ ist zugelassen, sodass 𝒪(P) ⊆ (P). Zusätzlich sind nun Pole zugelassen. Meromorphe Funktionen haben weder hebbare noch wesentliche Singularitäten.

Beispiel

Sei f :   mit f (z) = exp(1/z) für alle z  ∈  . Dann ist f holomorph auf * und damit meromorph auf *. Dagegen ist f nicht meromorph auf , da f im Nullpunkt keinen Pol besitzt.

 Der Definitionsbereich einer Funktion f  ∈  (P) ist im Allgemeinen eine echte Teilmenge von P. Lassen wir Werte in  =  ∪ { ∞ } zu, so können wir immer annehmen, dass eine auf P meromorphe Funktion auch wirklich auf ganz P definiert ist. Es gilt dann f (z) = ∞ genau dann, wenn z  ∈  P ein Pol von f ist.

 Meromorphe Funktionen lassen sich punktweise addieren und multiplizieren, wobei wir vereinbaren:

Konvention

Hebbare Singularitäten werden automatisch gehoben.

Beispiel

Wir betrachten die meromorphen Funktionen auf . Dazu gehören etwa f :    mit f (z) = z und g :   mit g(z) = 1/z für alle z ≠ 0. Die Funktion g hat einen Pol bei 0. Das Produkt h = f g ist zunächst nur auf * definiert durch h(z) = f (z) g(z) = z · 1/z = 1 für alle z ≠ 0. In dieser Form ist h nicht meromorph, da die 0 eine hebbare Singularität vo h ist. Wir erweitern nun h durch „h(0) = 1“. Dann ist h :    holomorph und genauer die 1-Funktion auf . Damit gilt also f · g = 1. Die Situation ist analog zu den rationalen Funktionen.

 Durch Nachweis der Körperaxiome erhalten wir:

Satz (Körper der meromorphen Funktionen)

Sei G ein Gebiet. Dann ist (G) ein Körper. Die konstante Null- und Einsfunktion auf G sind die Null bzw. Eins des Körpers.

 Es ist wesentlich, dass G ein Gebiet ist. Ist U nicht die einzige Komponente eines Bereichs P, so ist die Funktion f : P  , die auf U konstant 0 und sonst 1 ist, meromorph auf P ohne multiplikatives Inverses.

 Sind f, g : G   holomorph, so ist h = f/g meromorph auf G. Der Körper (G) umfasst also den Quotientenkörper des Integritätsrings 𝒪(G). Dieser Quotientenkörper wird analog zum Körper der komplexen rationalen Funktionen definiert, wobei dort Polynome f, g :    verwendet werden. An die Stelle der Polynome treten holomorphe Funktionen (die zumindest lokal „unendliche Polynome“ sind).

 Ist umgekehrt h meromorph auf G und p  ∈  G, so gibt es eine Umgebung U von p und holomorphe f, g : U   mit h = f/g auf U (mit g = (z − p)k für ein k  ∈  ). Bemerkenswerterweise gilt dies nun sogar global:

Satz (Minimalität des Körpers der meromorphen Funktionen)

Sei G ein Gebiet. Dann ist (G) der Quotientenkörper von 𝒪(G). Genauer gilt: Ist h meromorph auf G, so gibt es holomorphe f, g : G   ohne gemeinsame Nullstellen mit h = f/g.

 Dieser nichttriviale Satz ist ein Korollar des allgemeinen und sehr starken Produktsatzes von Weierstraß. Wir verweisen den Leser hierzu auf die Literatur. Durch das Ergebnis werden die etwas sperrig definierten meromorphen Funktionen greifbarer. Sie entstehen einfach aus zwei holomorphen Funktionen f und g auf G durch Bildung des Quotienten h = f/g. Dabei dürfen wir sogar annehmen, dass der Quotient f/g „gekürzt“ ist, d. h. die Nullstellenmengen von f und g sind disjunkt. Aus den Nullstellen des Nenners g werden dann genau die Polstellen von h = f/g. Der Nenner g kann unendlich viele Nullstellen besitzen wie zum Beispiel der Kosinus auf  oder die Funktion exp(1/z) auf *.