1.7 Umgang mit Funktionen
Definition (Verknüpfung, Komposition)
Seien f : A → B und g : B → C Funktionen. Dann ist die Verknüpfung oder Komposition g ∘ f : A → C definiert durch
(g ∘ f) (x) = g(f (x)) für alle x ∈ A.
Die Verknüpfung g ∘ f lesen wir als „g nach f“ oder salopp als „g Kringel f“. Die anschauliche Dynamik ist:
Die Funktion g ∘ f schickt ein x aus A mit Hilfe von f zunächst nach B. Anschließend schickt sie y = f (x) mit Hilfe von g nach C. Dann ist g(y) = g(f (x)) der Funktionswert von g ∘ f an der Stelle x.
Die Funktion f wird also zuerst ausgeführt. Dies erklärt die Sprechweise „g nach f“, die ja nicht der Lesereihenfolge entspricht.
Die Komposition g ∘ f kann nur dann definiert werden, wenn der Wertebereich von f eine Teilmenge des Definitionsbereichs der Funktion g ist. Ist g zum Beispiel die Quadratwurzelfunktion auf [ 0, +∞ [, so können wir nicht g ∘ f schreiben, wenn die Funktion f negative Werte annimmt, wie etwa die Logarithmusfunktion.
Sind f : A → B, g : B → C und h : C → D Funktionen, so können wir die dreifachen Kompositionen h ∘ (g ∘ f) und (h ∘ g) ∘ f bilden. Für alle x aus A gilt aber
(h ∘ (g ∘ f)) (x) = h((g ∘ f) (x)) = h(g(f (x))) = (h ∘ g) (f (x)) = ((h ∘ g) ∘ f) (x).
Die Komposition ist also assoziativ. Wir können die unangenehmen Klammern weglassen und einfach h ∘ g ∘ f schreiben und zu h(g(f (x))) auswerten.
Beispiel
Wir betrachten die Funktion s : ℝ − { 1 } → ℝ mit
s(x) = (sin(x2))3 − 3x − 1 für alle x ≠ 1.
In (sin(x2))3 ist eine dreifache Komposition der Form h ∘ g ∘ f am Werk: f ist die zweite Potenz, g der Sinus und h die dritte Potenz. Wollen wir f differenzieren, werden wir unter anderem die Kettenregel heranziehen. Beim Nachdifferenzieren ist es dann wichtig, die Struktur der Funktion klar vor Augen zu haben.
Ein guter Blick für den „Aufbau“ einer Funktion ist generell hilfreich. Hierzu:
Definition (punktweise Operationen für Funktionen)
Seien f, g : A → ℝ, A ⊆ ℝ, und sei c ∈ ℝ. Dann definieren wir die Funktionen c f, f + g, f − g, f · g und, falls g(x) ≠ 0 für alle x ∈ A gilt, f/g auf A, durch
(c f) (x) = c f (x), | (f + c) (x) = f (x) + c, | |
(f + g) (x) = f (x) + g(x), | (f − g) (x) = f (x) − g(x), | |
(f · g) (x) = f (x) · g(x), | (f/g) (x) = f (x)/g(x) für alle x ∈ A. |
Weiter setzen wir f 2 = f · f, f 3 = f 2 · f usw.
Der Definitionsbereich A wird durch diese Operationen nicht verändert, es gilt zum Beispiel f + g : A → ℝ. In graphischen Darstellungen werden die Graphen der Funktionen punktweise skaliert, addiert, multipliziert, usw. (vgl. auch 1. 5).
Beispiel
Sei id : ℝ → ℝ die Identität auf ℝ, d. h. es gilt id(x) = x für alle x. Weiter sei f : ℝ → ℝ ein reelles Polynom,
f (x) = ak xk + … + a1 x + a0 für alle x ∈ ℝ,
für gewisse Koeffizienten a0, …, ak ∈ ℝ (vgl. auch 6. 1). Dann gilt
f = ak idk + … + a1 id + a0.
Alle Polynome lassen sich also aus der Identität durch Anwendung der punktweisen Operationen erzeugen. Diese Beobachtung ist an verschiedenen Stellen nützlich: Weiß man, dass die punktweisen Operationen die Stetigkeit erhalten, so folgt aus der Stetigkeit der Identität die Stetigkeit aller Polynome (vgl. 5. 1). Ebenso folgt aus den Ableitungsregeln für die Addition und die Multiplikation eine Ableitungsregel für Polynome (vgl. 7. 4).
Wir weisen noch auf eine Fehlerquelle hin, die auf unterschiedliche analytische und algebraische Konventionen zurückzuführen ist. In der Algebra wird die Komposition gerne als Multiplikation aufgefasst und man setzt dann konsequent für ein f : A → A
f 2 = f ∘ f, f 3 = f ∘ f 2 = f ∘ f ∘ f usw.
Ist also f : ℝ → ℝ die vierte Potenz, so ist f 2 = f ∘ f die sechzehnte Potenz, denn es gilt
f 2(x) = f (f (x)) = f (x4) = (x4)4 = x16 für alle x ∈ ℝ.
Lesen wir dagegen f 2 als Multiplikation, d. h. f 2 = f · f, so ist f 2 nur die achte Potenz, denn f 2(x) = f (x) · f (x) = x4 · x4 = x8 für alle x ∈ ℝ. Die Bedeutung der Notation ist aber in der Regel aus dem Kontext heraus klar. Generell gilt, dass in der Analysis und der mathematischen Physik die punktweisen Operationen im Vordergrund stehen, sodass also sin2 nicht die Funktion sin ∘ sin ist, sondern sin2(x) = (sin(x))2 für alle x gilt. Eine Ausnahme bildet die Umkehrfunktion f −1, die auch in der Analysis nicht die punktweise Invertierung 1/f bedeutet (vgl. auch die nächste Sektion).