1.8 Umkehrfunktionen und Einschränkungen
Definition (Umkehrfunktion)
Sei f : A → B eine injektive Funktion. Dann setzen wir
f −1 = { (y, x) | (x, y) ∈ f },
d. h., es gilt f −1(y) = x genau dann, wenn f (x) = y. Die Funktion f −1 heißt die Umkehrfunktion von f.
f (x) = y genau dann, wenn f −1(y) = x
Die Umkehrung einer Funktion f beschreibt das „Rückgängigmachen“ der Bildung von y = f (x): Mit f −1 kehren wir von y zurück zu x. In der graphischen Methode entspricht dieses Vorgehen der Spiegelung von f an der Hauptdiagonalen. Die Injektivität der Funktion f sorgt dafür, dass durch die Spiegelung wieder ein Graph entsteht, der die Eindeutigkeitsbedingung für Funktionen erfüllt.
Wichtige Eigenschaften für Umkehrfunktionen sind:
f −1 : Bild(f) → Def (f) ist bijektiv. |
f −1 ∘ f ist die Identität auf Def (f) und f ∘ f −1 ist die Identität auf Bild(f). |
(f −1)− 1 = f, d. h., die Umkehrfunktion der Umkehrfunktion von f ist f. |
Die Schreibweise f −1 ist durch die Eigenschaft f −1 ∘ f = id (auf Def (f)) und die üblichen gruppentheoretischen Notationen für die Inversenbildung motiviert. Für die Analysis ist wichtig, dass f −1 nicht die punktweise Invertierung 1/f von f bezeichnet. Diese Verwechslung liegt nahe, da ja in einem Körper x− 1 auch als 1/x geschrieben wird. Den Unterschied zwischen f −1 und 1/f kann man sich leicht klarmachen:
Beispiel
Sei f : ℝ − { 0 } → ℝ die Funktion mit f (x) = 1/x für alle x ≠ 0. Dann ist f injektiv und alle Funktionswerte sind von null verschieden. Also sind sowohl f −1 als auch 1/f definiert. Es gilt aber für alle x ≠ 0:
f −1(x) = 1/x = f (x), (1/f)(x) = 1/f (x) = 1/(1/x) = x.
Also gilt f −1 = f, aber 1/f ist die Identität auf ℝ − { 0 }.
Gilt y = f (x1) = f (x2) für x1 ≠ x2, so ist f −1 als Funktion nicht definiert. Wir können aber für jede Funktion f die Menge { (y, x) | (x, y) ∈ f } definieren und als Relation untersuchen (diese Menge wird auch oft mit f −1 bezeichnet). Speziell ist hier die Menge aller x mit f (x) = y von Bedeutung. Wir untersuchen sie in der folgenden Sektion genauer. Hier betrachten wir noch eine Operation, die in vielen analytisch interessanten Fällen eine gute „partielle Umkehrung“ ermöglicht:
Definition (Einschränkung einer Funktion)
Sei f : A → B eine Funktion und sei C ⊆ A. Dann ist die Einschränkung f|C : C → B von f auf C definiert durch
(f|C) (x) = f (x) für alle x ∈ C.
Die Einschränkung einer Funktion verkleinert den Definitionsbereich, lässt die Wirkung der Funktion aber unangetastet. Diese Begriffsbildung bereitet Anfängern oft Schwierigkeiten, da sie Funktionen gerne als Terme auffassen und dann stillschweigend maximale Definitionsbereiche annehmen. Zur Illustration betrachten wir zwei Beispiele für nichtinjektive Funktionen, die durch eine geeignete Einschränkung zu wichtigen Umkehrfunktionen Anlass geben.
Beispiele
(1) | Sei f : ℝ → ℝ die zweite Potenz auf ℝ, d. h. f (x) = x2 für alle x ∈ ℝ. Dann ist f nicht injektiv. Aber die Einschränkung g = f|[ 0, +∞ [ ist injektiv. Die Umkehrfunktion g− 1 von g ist die Quadratwurzelfunktion auf [ 0, +∞ [, es gilt g−1(x) = für alle x ≥ 0. Da f jeden Wert höchstens zweimal annimmt, gilt y = x2 genau dann, wenn x = g−1(y) = oder x = − g− 1(x) = − . Dass man den rechten Ast der Parabel zur Invertierung auswählt, ist eine natürliche Konvention. Prinzipiell wäre auch der linke Ast geeignet. |
(2) | Die Kosinusfunktion cos : ℝ → ℝ nimmt jeden Wert unendlich oft an. Die Einschränkung cos0 = cos|[ 0, π ] des Kosinus auf seinen sogenannten Hauptzweig ist injektiv. Die Umkehrfunktion von cos0 ist als Arkuskosinus arccos : [ −1, 1 ] → [ 0, π ] bekannt. Für alle x ∈ [ 0, π ] und alle y gilt: y = cos(x) genau dann, wenn x = arccos(y). Die Bedingung x ∈ [ 0, π ] ist hier wichtig. Im Allgemeinen erhalten wir die Stelle x nicht zurück, wenn wir auf den Wert y = cos(x) den Arkuskosinus anwenden. Es gilt zum Beispiel cos(2π) = 1, aber arccos(1) = 0. Allgemeiner gilt arccos(cos(a2π)) = arccos(1) = 0 für alle a ∈ ℤ. |