3.11 Konvergenz in den komplexen Zahlen
Definition (Konvergenz in ℂ)
Die Konvergenz einer Folge (zn)n ∈ ℕ gegen ein z ∈ ℂ wird wie im reellen Fall durch die folgende Konvergenzbedingung definiert:
∀ε > 0 ∃n0 ∀n ≥ n0 |zn − z| < ε. (Konvergenzbedingung für z)
Wir schreiben dann wieder limn → ∞ zn = z oder limn zn = z.
limn zn = z, z = 1 + i
Eine komplexere Konvergenz gegen 1 + i
Für alle komplexen Zahlen w = (x, y) hatten wir definiert:
|w| = = ∈ ℝ.
In der Konvergenzbedingung für z ist also die Zahl |zn − z| reell und genauer der euklidische Abstand der Punkte zn und z in der Ebene. Der Allquantor läuft wie früher nur über reelle Zahlen ε > 0, komplexe Zahlen tauchen nur innerhalb der Betragsstriche auf.
Beispiele
(1) | limn (n + i)/(n + 1)) = 1. |
(2) | limn in/2n = 0. |
(3) | limn (n i) und limn in existieren nicht. |
(4) | Gilt limn xn = x in ℝ, so gilt auch limn xn = x in ℂ. Jede reelle Zahl x ist ja durch die Identifizierung von x und (x, 0) auch eine komplexe Zahl, und deswegen ist eine Folge in ℝ auch eine Folge in ℂ. |
Ein Großteil unserer Überlegungen für Folgen in ℝ überträgt sich ohne Mühe und Modifikation auf Folgen in ℂ. Unterschiede ergeben sich nur durch die zweidimensionale Struktur und die fehlende Ordnung von ℂ.
(a) | Die Limesregeln für Folgen gelten auch für Folgen in ℂ. |
(b) | Die Definition einer Cauchy-Folge in ℂ kann wörtlich übernommen werden. Die in ℂ konvergenten Folgen sind wieder genau die Cauchy-Folgen. |
(c) | Häufungspunkte für Folgen in ℂ werden wie in ℝ über konvergente Teilfolgen definiert. Der Satz von Bolzano-Weierstraß gilt: Jede beschränkte Folge in ℂ besitzt einen Häufungspunkt. Dabei heißt eine Folge (zn)n ∈ ℕ in ℂ beschränkt, falls es ein x ∈ ℝ gibt mit |zn| < x für alle n. |
(d) | Die Begriffe liminf und limsup stehen in ℂ nicht zur Verfügung. |
(e) | Für z ∈ ℂ und ε > 0 wird die offene ε-Umgebung von z definiert durch: Uε(z) = { w ∈ ℂ | |w − z| < ε }, also als die offene Kreisscheibe mit Mittelpunkt z und Radius ε. Die Umgebungsformulierungen von „Grenzwert“ und „Häufungspunkt“ können wörtlich übernommen werden. So gilt limn zn = z in ℂ genau dann, wenn für jede offene ε-Umgebung von z die Folge schließlich in dieser Umgebung liegt. |
Die Grenzwertbestimmung in den komplexen Zahlen lässt sich auf die Bestimmung von zwei reellen Grenzwerten zurückführen:
Satz (koordinatenweise Konvergenz für Folgen in ℂ)
Eine Folge (zn)n ∈ ℕ in ℂ konvergiert genau dann gegen z ∈ ℂ, wenn die Folge (Re(zn))n ∈ ℕ gegen Re(z) und die Folge (Im(zn))n ∈ ℕ gegen Im(z) konvergieren.
Diagramm zur koordinatenweisen Konvergenz
Für alle komplexen Zahlen z gilt z = (Re(z), Im(z)). Im Konvergenzfall gilt also:
limn zn = limn (Re(zn), Im(zn)) = (limn Re(zn), limn Im(zn)).
Diese Aussage ist ein weiteres Beispiel für eine Vertauschungsregel. Die Grenzwertbildung in ℂ respektiert den Aufbau z = (x, y) einer komplexen Zahl. Man darf den Limes in das geordnete Paar reinziehen.
Die Diskussion zeigt, dass der durch die Konvergenzbedingung eingefangene Grenzwertbegriff für Folgen sehr allgemein ist und lediglich einen Abstandsbegriff benötigt. In der Analysis werden später sog. metrische Räume betrachtet, die eine Menge X mit einer Abstandsfunktion
d : X × X → ℝ
ausstatten. Die reelle Zahl d(x, y) heißt dann der Abstand zwischen x und y in X. Die Konvergenz von Folgen (xn)n ∈ ℕ in X wird nun durch die Konvergenzbedingung wie in ℝ und ℂ erklärt, wobei nun die Abstandsfunktion verwendet wird, da „Minus“ und „Betrag“ im Allgemeinen in X nicht mehr zur Verfügung stehen:
∀ε > 0 ∃n0 ∀n ≥ n0 d(xn, x) < ε. (metrische Konvergenzbedingung für x)