3.9 Limes Superior und Inferior
Definition (Limes Superior und Limes Inferior)
Sei (xn)n ∈ ℕ eine beschränkte Folge in ℝ. Dann definieren wir:
limsupn xn = infn ∈ ℕ supm ≥ n xm ( = limn supm ≥ n xm),
liminfn xn = supn ∈ ℕ infm ≥ n xm ( = limn infm ≥ n xm).
Die reelle Zahl limsupn xn heißt der Limes Superior und die reelle Zahl liminfn xn der Limes Inferior der Folge (xn)n ∈ ℕ.
s0 = x0,
s1 = s2 = s3 = s4 = x4,
s5 = s6 = s7 = s8 = x8, …
limsupn xn = infn sn = infn x4 n = 1.
Die Begriffe wirken auf viele Anfänger aufgrund der lim-inf-sup-Kombination bedrohlich. Anschauliche Beschreibungen können bei der Befreundung helfen:
Wir betrachten zunächst das Supremum s0 aller xn, n ≥ 0. Nun radieren wir x0 weg und betrachten das Supremum s1 der übrig gebliebenen xn. Da wir nun weniger Punkte betrachten, gilt s0 ≥ s1. Nun radieren wird x1 weg und bilden das Supremum s2 aller xn mit n ≥ 2. Dann gilt s0 ≥ s1 ≥ s2. So fortfahrend erhalten wir eine monoton fallende Folge
s0 ≥ s1 ≥ s2 ≥ … sn ≥ …,
mit sn = supm ≥ n xm. Es gilt
s* = infn sn = limn sn = limsupn xn.
Analoges gilt für den Limes Inferior.
Die endlichen Anfangsstücke einer Folge spielen bei der Bildung des Limes Inferior und Superior keine Rolle. Diese Unabhängigkeit besitzt auch die Grenzwertbildung, denn im Fall der Konvergenz gilt limn xn = limn ≥ n0 xn für alle n0. Das Supremum und Infimum einer Menge kann dagegen von einem einzelnen Punkt abhängen:
sup([ 0, 1 ]) = 1 < 2 = sup([ 0, 1 ] ∪ { 2 }).
Beispiele
(1) | Sei (xn)n ∈ ℕ = (c, c, c, …) für ein c ∈ ℝ. Dann gilt liminfn xn = c = limsupn xn. |
(2) | Sei (xn)n ∈ ℕ = (0, 1, 0, 1, 0, 1, …). Dann gilt liminfn xn = 0 < 1 = limsupn xn. |
(3) | Sei (xn)n ∈ ℕ = (−1, 1, −1/2, 1/2, −1/4, 1/4, −1/8, 1/8, …). Dann gilt liminfn xn = 0 = limsupn xn und 0 = limn xn. |
(4) | Für (xn)n ≥ 1 wie im Diagramm oben rechts gilt liminfn xn = −1/2 < 1 = limsupn xn. |
Für alle Folgen (xn)n ∈ ℕ gilt liminfn xn ≤ limsupn xn. Die Gleichheit von Limes Inferior und Limes Superior tritt genau im Fall der Konvergenz der Folge ein:
Satz (Charakterisierung des Grenzwerts mit liminf und limsup)
Sei (xn)n ∈ ℕ eine Folge in ℝ, und sei x ∈ ℝ. Dann sind äquivalent:
(a) | limn xn = x. |
(b) | (xn) ist beschränkt und liminfn xn = limsupn xn = x. |
Allgemein gilt die folgende ansprechende Charakterisierung:
Satz (Charakterisierung des Limes Inferior und Limes Superior)
Sei (xn)n ∈ ℕ eine beschränkte Folge in ℝ. Dann gilt:
(a) | limsupn xn ist der größte Häufungspunkt von (xn)n ∈ ℕ, |
(b) | liminfn xn ist der kleinste Häufungspunkt von (xn)n ∈ ℕ. |
Es folgt, dass eine beschränkte Folge mindestens einen Häufungspunkt besitzt. Der Charakterisierungssatz enthält also den Satz von Bolzano-Weierstraß (3. 8). Stärker zeigt er, dass eine konvergente Folge genau einen Häufungspunkt und eine divergente beschränkte Folge mindestens zwei Häufungspunkte besitzt. Im divergenten Fall können noch weitere Häufungspunkte zwischen dem Limes Inferior und dem Limes Superior liegen (vgl. die Beispiele in 3. 7).
Ausdehnung der Definition auf unbeschränkte Folgen
Der limsup kann allgemeiner für jede nach oben beschränkte Folge erklärt werden und der liminf für jede nach unten beschränkte Folge. So ist dann etwa der Limes Superior von 0, −1, 0, −2, 0, −3, … gleich 0. Durch Verwendung der Symbole +∞ und −∞ können liminf und limsup sogar für jede Folge definiert werden. Die Definition bleibt gleich, wobei nun +∞ und −∞ bei der Bildung von Suprema und Infima zugelassen sind. Wir diskutieren dies in 3. 12 genauer.