4.3Die geometrische Reihe

Satz (Konvergenz der geometrischen Reihe)
eha1-AbbID181a

Die ersten 100 Partialsummen sn der geometrischen Reihe für x = 0,9

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Die ersten 100 Partialsummen für x = − 0,9

eha1-AbbID181c

Die ersten 300 Partialsummen für x = 0,99

eha1-AbbID181d

Die ersten 300 Partialsummen für x = −0,99

Sei x  ∈  ] −1, 1 [. Dann konvergiert die sog. geometrische Reihe

n xn  =  1  +  x1  +  x2  +  …  +  xn  +  …

und es gilt:

n xn  =  11 − x,  n ≥ 1 xn  =  x1 − x .

(Formeln für die geometrische Reihe)

 Die geometrische Reihe gehört zu den wichtigsten Reihen der Analysis. Sie ist immer wieder im Einsatz, etwa beim Beweis der Konvergenzkriterien für Reihen oder bei der Bestimmung des Konvergenzradius von Potenzreihen. Um so erfreulicher ist, dass sie zu den recht wenigen Reihen gehört, deren Summe man leicht ausrechnen kann. Die Partialsummen

sn  =  k ≤ n xk  =  x0  +  x1  +  …  +  xn

lassen sich direkt bestimmen. Für alle reellen Zahlen x, x ≠ 1, gilt:

sn  =  1 − xn + 11 − x.  (endliche geometrische Reihe)

Dies kann man durch vollständige Induktion oder durch Ausmultiplizieren des Produkts

(1  +  x  +  x2  +  …  +  xn) (1  −  x)

beweisen. Das Ausmultiplizieren hinterlässt eine Teleskopsumme, in der sich nur die beiden Terme 1 und − xn + 1 nicht gegenseitig weglöschen.

 Nach der endlichen Summenformel gilt also für alle x mit |x| < 1:

n xn  =  limn sn  =  limn 1 − xn + 11 − x  =  11 − x,

wobei wir neben den Regeln für die Folgenarithmetik benutzen, dass limn xn = 0 für alle x mit |x| < 1. Damit ist also n xn bestimmt. Die Summe n ≥ 1 xn erhält man durch

n ≥ 1 xn  =  (n xn)  −  1  =  11 − x  −  1  =  x1 − x.

oder alternativ durch eine analoge Überlegung, die auf der Berechnung

1 ≤ k ≤ n xk  =  x − xn + 11 − x  für alle x ≠ 1

beruht.

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Tortendiagramm zu n ≥ 1 1/2n = 1

Beispiele

(1)

n (1/2)n  =  1/(1 − 1/2)  =  2/1  =  2,

n (1/k)n  =  k/(k − 1)  für alle k ≥ 2.

(2)

n (−1/2)n  =  1/(1 + 1/2)  =  2/3,

n (−1/k)n  =  1/(1 + 1/k)  =  k/(k + 1), k ≥ 2.

(3)

n qn  =  1/(1 − q))  =  n/(n − m)  für alle q = m/n  ∈  ] −1, 1 [.

(4)

n xk divergiert für alle x mit |x| ≥ 1. Für alle x ≥ 1 gilt n xk = +∞.

 Die Menge aller x, für die die Reihe n xn konvergiert, bildet also ein Intervall. Dieses Verhalten ist typisch für die sog. Potenzreihen der Form n an xn, die wir später besprechen werden (siehe 5. 12). Die geometrische Reihe entspricht der besonders einfachen Potenzreihe mit den Koeffizienten an = 1 für alle n.

 Unser Bestand an „berechenbaren“ Reihen lässt sich noch erweitern:

Beispiele

(1)

Die Rechenregeln für die Exponentiation liefern für alle x  ∈  ] −1, 1 [:

n x2 n  =  n (x2)n  =  1(1 − x2),  n x2 n + 1  =  x n x2 n  =  x(1 − x2).

(2)

Die Berechnung der Partialsummen der geometrischen Reihe unter Verwendung von Teleskopsummen lässt sich beispielsweise wie folgt variieren. Sei x ≠ 1. Dann gilt für alle n ≥ 1:

(x + 2 x2 + … + n xn) (1 − x) (1 − x)  = 

(x + x2 + x3 + … + xn − n xn + 1) (1 − x)  =  x − xn + 1 − n xn + 1 + n xn + 2.

Folglich gilt für alle x mit |x| < 1:

n ≥ 1 n xn  =  limn x − xn + 1 − n xn + 1 + n xn + 2(1 − x)2  =  x(1 − x)2.

Für x = 1/2 erhalten wir also 1/2  +  2/4  +  3/8  +  4/16  +  5/32  +  …  =  2.