4.6Das Cauchy-Kriterium für Reihen

Satz (Cauchy-Kriterium der Konvergenz für Reihen)

Sei n xn eine Reihe in . Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent:

(a)

n  ∈   xn konvergiert.

(b)

∀ε > 0 ∃n0 ∀n ≥ m ≥ n0 |m ≤ k ≤ n xk| < ε. (Cauchy-Bedingung für Reihen)

(c)

∀ε > 0 ∃n0 ∀n ≥ n0 |n0 ≤ k ≤ n xk| < ε. (Cauchy-Bedingung für Reihen, II)

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Zur Cauchy-Bedingung in der Form (c): Alle Summen n0 ≤ k ≤ n xk (schwarze Punkte) der Summanden xk (weiße Punkte) liegen im ε-Streifen um die x-Achse.

 Die Reihe n xn ist per Definition die Folge (sn)n  ∈   ihrer Partialsummen, und diese Folge konvergiert wie jede Folge in  genau dann, wenn sie eine Cauchy-Folge ist. Die Aussagen (b) und (c) des Satzes sind äquivalente Formulierungen der Aussage „(sn)n  ∈   ist eine Cauchy-Folge“. Statt „< ε“ kann man wieder „≤ ε“ oder „< 2 ε“ in die Bedingungen einsetzen, und die Summe kann man auch über „n0 ≤ k ≤ 2 n“ bzw. „m ≤ k ≤ 2 n“ laufen lassen. Man darf aber nicht alles:

Warnung

Aus der Konvergenz von n xn folgt im Allgemeinen nicht, dass

∀ε > 0 ∃n0 ∀n ≥ m ≥ n0 m < k ≤ n |xk| < ε.

Man darf also in der Regel die Betragsstriche nicht in die Summe reinziehen.

Beispiele hierfür werden wir in 4. 7 und 4. 8 kennenlernen.

 Das Cauchy-Kriterium wird in der Praxis oft zum Nachweis der Konvergenz oder Divergenz einer Reihe eingesetzt. Oft genügen schwächere Versionen wie zum Beispiel:

Satz (Nullfolgenbedingung)

Sei n xn eine konvergente Reihe in . Dann ist die Folge (xn)n  ∈   der Summanden eine Nullfolge, d. h., es gilt limn xn = 0.

Setzen wir nämlich n = m in der Cauchy-Bedingung, so erhalten wir

∀ε > 0 ∃n0 ∀n ≥ n0 |xn| < ε,  d. h.  limn xn = 0.

Für obiges Diagramm heißt dies: Wir können durch Vergrößerung von n0 erreichen, dass die Summen n0 ≤ k ≤ m xk und die Summanden xk im ε-Streifen liegen.

Beispiel

Gilt |xn| > 1/10 für unendlich viele n, so ist (xn)n  ∈   keine Nullfolge, also divergiert die Reihe n xn.

 Das Cauchy-Kriterium für Reihen liefert stärkere Aussagen, die mit der Nullfolgenbedingung nicht mehr behandelt werden können:

Beispiel

Gilt |xn  +  …  +  x2n| > 1/10 für unendlich viele n, so divergiert n xn.

 Die harmonische Reihe (vgl. 4. 5) zeigt:

Die Reihe n xn kann divergieren, obwohl limn xn = 0 gilt !

Dass die Summanden eine Nullfolge bilden, ist also notwendig für die Konvergenz einer Reihe, aber nicht hinreichend. Es besteht die Möglichkeit der Divergenz bei verschwindenden Zuwächsen.

 Schließlich halten wir noch fest:

Satz (Abschneiden von Anfangsstücken)

Sei n xn eine Reihe in  und sei m0  ∈  . Dann konvergiert n xn genau dann, wenn n ≥ m0 xn konvergiert.

Auch dies folgt sofort aus dem Cauchy-Kriterium, denn oberhalb von m0 sind die Werte |m ≤ k ≤ n xk| für beide Reihen gleich. Der Satz lässt sich noch durch eine Summenformel ergänzen. Im Fall der Konvergenz gilt für alle k:

n xn  =  n ≤ k xn  +  n > k xn.  (endliche Abspaltungsregel)

Die Abspaltungsregel hat die Form eines Assoziativgesetzes:

x0  +  x1  +  …  +  xn  +  …  =  (x0  +  …  +  xk)  +  xk + 1  +  xk + 2  +  …

Allgemeiner ändern im Fall der Konvergenz auch unendlich viele Blockbildungen die Summe nicht:

x0  +  x1  +  …  +  xn  +  …  =  (x0  +  …  +  xk0)  +  (xk0 + 1  +  …  +  xk1)  +  … 

(endliche Zusammenfassungen)  

Die divergente Reihe n (−1)n zeigt, dass derartige Blockbildungen Konvergenz (und verschiedene Summen) erzeugen können, wenn die Ausgangsreihe divergiert (vgl. 4. 1.).

 Wir fassen zusammen:

Liegt Konvergenz vor, so darf in einer unendlichen Reihe beliebig geklammert werden.

 Das Thema „Kommutativgesetz im Unendlichen“ ist schwieriger. Wir diskutieren es in Sektion 4. 8.