4.7 Das Leibniz-Kriterium
Satz (Leibniz-Kriterium, Konvergenzkriterium für alternierende Reihen)
Sei (xn)n ∈ ℕ eine monoton fallende Nullfolge in ℝ, d. h., es gilt xn ≥ xn + 1 für alle n und limn xn = 0. Dann gilt für die Partialsummen sn der Reihe ∑n (− 1)n xn:
(a) | s1 ≤ s3 ≤ … ≤ s2 n + 1 ≤ … ≤ … ≤ s2 n ≤ … ≤ s2 ≤ s0, |
(b) | limn (s2n − s2n + 1) = 0. |
Folglich ist ∑n (−1)n xn konvergent und
∑n (−1)n xn = supn s2 n + 1 = infn s2 n.
Analoges gilt für ∑n (−1)n + 1 xn.
s* = ∑n (−1)n xn
Die Reihe ∑n (−1)n xn hat die Form
x0 − x1 + x2 − x3 + … + x2 n − x2n + 1 + …,
wobei alle xn größergleich null sind und monoton fallend gegen null konvergieren. Aufgrund der Monotonieeigenschaft ist die Folge der Partialsummen
s0 = x0, s1 = x0 − x1, s2 = x0 − x1 + x2,
s3 = x0 − x1 + x2 − x3, …
eine rechtsstartende Pendelfolge wie in (a), und aufgrund der Konvergenz der Summanden xn gegen 0 gilt
limn (s2n − s2n + 1) = limn xn = 0.
Damit ist (sn)n ∈ ℕ eine Folge, die die Konvergenzbedingung für Pendelfolgen erfüllt (vgl. 3. 3). Analoges gilt für die Reihe
∑n (−1)n + 1 xn = − ∑n (−1)n xn,
deren Partialsummen eine linksstartende Pendelfolge bilden. Das Leibniz-Kriterium ist damit vollständig auf den Konvergenzsatz für Pendelfolgen zurückgeführt.
Eine Reihe ∑n yn, deren Summanden ständig das Vorzeichen wechseln, heißt alternierend. Das Leibniz-Kriterium besagt, dass eine alternierende Reihe konvergiert, wenn die Folge (|yn|)n ∈ ℕ der Beträge ihrer Summanden eine monoton fallende Nullfolge ist. Man nennt das Kriterium deswegen oft auch das Konvergenzkriterium für alternierende Reihen.
Wir betrachten einige Beispiele für alternierende Reihen. Das Leibniz-Kriterium liefert die Konvergenz oft leicht, die Bestimmung der Grenzwerte ist dagegen meistens viel schwieriger.
Beispiele
(1) | Für alle x ∈ ] −1, 0 [ ist die geometrische Reihe ∑n xn eine alternierende Reihe. Das Leibniz-Kriterium zeigt noch einmal die Konvergenz. Die Summe hatten wir bereits bestimmt, es gilt ∑n xn = 1/(1 − x). |
(2) | Sei (an)n ∈ ℕ eine um die Null pendelnde Folge der Form a1 ≤ a3 ≤ … ≤ a2n + 1 ≤ … ≤ 0 ≤ … ≤ a2n ≤ … ≤ a2 ≤ a0. Dann ist, für alle x > 0, die Reihe ∑n an xn eine alternierende Reihe. Sie konvergiert nach dem Leibniz-Kriterium, falls x ∈ ] 0, 1 [. Wir setzen hier limn an = 0 nicht voraus. Die geometrische Reihe aus Beispiel (1) entspricht dem Fall (an)n ∈ ℕ = (1, −1, 1, −1, …). Die ersten Partialsummen der alternierenden harmonischen Reihe Die ersten Partialsummen der Leibniz-Reihe |
(3) | Die alternierende harmonische Reihe ∑n ≥ 1 (−1)n − 1/n konvergiert, da (1/n)n ≥ 1 monoton fallend gegen 0 konvergiert. Also ist die Reihe konvergent. Mit der Potenzreihenentwicklung der Logarithmusfunktion log kann man die Summe identifizieren. Es gilt 1 − 1/2 + 1/3 − 1/4 + … = log(2). |
(4) | Die Leibniz-Reihe ∑n (−1)n/(2n + 1) konvergiert nach dem Satz. Die Potenzreihenentwicklung des Arkustangens und der Wert arctan(1) = π/4 ermöglichen eine Bestimmung der Summe. Es gilt 1 − 1/3 + 1/5 − 1/7 + … = π/4. |
Die alternierende harmonische Reihe und die Leibniz-Reihe besitzen nicht nur faszinierende Grenzwerte, sondern sie sind auch Beispiele für das folgende Phänomen:
∑n xn kann konvergieren, während ∑n |xn| divergiert.
In der Tat gilt ∑n ≥ 1 1/n = +∞ und ∑n 1/(2 n + 1) = +∞, während ∑n ≥ 1 (−1)n − 1/n und ∑n (−1)n/(2n + 1) konvergieren. Die merkwürdigen Eigenschaften derartiger Reihen werden wir in der nächsten Sektion diskutieren.
Alternierende Reihen treten häufiger auf, als man meinen möchte. Besitzt eine Reihe unendlich viele positive und unendlich viele negative Summanden, so können wir durch Zusammenfassen der positiven und negativen Blöcke eine alternierende Reihe erzeugen. Das Konvergenzverhalten wird durch diese Zusammenfassung nicht verändert. Im Allgemeinen erhalten wir aber keine Monotonie in den Summanden.