4.8 Absolute und bedingte Konvergenz
Definition (absolute und bedingte Konvergenz)
Eine Reihe ∑n xn in ℝ heißt
(a) | absolut konvergent, falls ∑n|xn| konvergiert, |
(b) | bedingt konvergent, falls ∑n xn konvergiert und ∑n|xn| divergiert. |
Aus dem Cauchy-Kriterium folgt wegen |∑m ≤ k ≤ n xk| ≤ ∑m ≤ k ≤ n |xk|, dass eine absolut konvergente Reihe ∑n xn konvergent ist.
Beispiele
(1) | Für alle x ∈ ] −1, 1 [ ist die geometrische Reihe ∑n xn absolut konvergent. |
(2) | Die alternierende harmonische Reihe ∑n ≥ 1 (−1)n − 1/n und auch die Leibniz-Reihe ∑n (−1)n/(2n + 1) sind bedingt konvergent (vgl. 4. 7). |
Will man eine konvergente Reihe auf absolute oder bedingte Konvergenz überprüfen, so ist der folgende Satz hilfreich:
Satz (Kriterien für bedingte Konvergenz)
Sei ∑n xn eine konvergente Reihe in ℝ. Dann sind äquivalent:
(a) | ∑n xn konvergiert bedingt. |
(b) | ∑n |xn| = ∞. |
(c) | Die Summen über die negativen und positiven Summanden divergieren, d. h., es gilt ∑n mit xn > 0 xn = ∞ und ∑n mit xn < 0 xn = −∞. |
Als Merkregel gilt:
Absolute Konvergenz ist eine gute Eigenschaft.
Man kann mit absolut konvergenten Reihen sehr frei rechnen, ohne Fehler zu machen. Dies ist für bedingt konvergente Reihen ganz anders. Als Beispiel betrachten wir die konvergente alternierende harmonische Reihe:
∑n ≥ 1 (−1)n − 1 1/n = 1 − 1/2 + 1/3 − 1/4 + … = log(2).
Die Summanden 1, −1/2, 1/3, −1/4, … dieser Reihe können wir anders anordnen:
Beispiele
(1) | 1 − 1/2 − 1/4 + 1/3 − 1/6 − 1/8 + 1/5 − 1/10 − 1/12 + … = log(2)/2. Hier folgen zwei negative auf einen positiven Summanden. Die Dominanz der negativen Summanden führt zu einer kleineren Summe. |
(2) | 1 − 1/2 + 1/3 − 1/4 − 1/6 + 1/5 − 1/8 − 1/10 − 1/12 − 1/14 + 1/7 − … = −∞ Hier folgen 1, 2, 4, 8, 16, … negative Summanden auf einen positiven. Die Reihe divergiert bestimmt gegen −∞. |
Die Reihenfolge der Summation spielt also bei bedingt konvergenten Reihen eine Rolle. Für absolut konvergente Reihen kann dies nicht passieren. Zur genauen Formulierung der Ergebnisse nennen wir eine Reihe ∑n yn eine Umordnung der Reihe ∑n xn, falls eine Bijektion g : ℕ → ℕ existiert mit yn = xg(n) für alle n. Es gilt dann also
∑n yn = xg(0) + xg(1) + xg(2) + …,
d. h., die Funktion g gibt die Reihenfolge der Summation an. Dass g : ℕ → ℕ eine Bijektion ist, führt dazu, dass jedes xn in der neuen Summe genau einmal erscheint. Es gilt der folgende Satz:
Satz (Umordnungssatz)
(a) | Ist ∑n xn eine absolut konvergente Reihe, so ist auch jede Umordnung ∑n yn von ∑n xn absolut konvergent und es gilt ∑n xn = ∑n yn. |
(b) | Ist ∑n xn eine bedingt konvergente Reihe und c ∈ ℝ = [ −∞, +∞ ] , so existiert eine Umordnung ∑n yn von ∑n xn mit ∑n yn = c. Weiter existieren divergente Umordnungen von ∑n xn, die auch nicht uneigentlich konvergieren. |
Kurzfassung:
Das Kommutativgesetz gilt im Unendlichen für absolut konvergente Reihen.
Bei bedingter Konvergenz kann man jeden beliebigen Wert durch Umordnung erreichen.
Bemerkung: Umordnungen von Folgen
Folgen sind stets immun gegen Umordnungen. Ist x = limn xn und g : ℕ → ℕ bijektiv, so ist auch x = limn xg(n). Denn in jeder Umgebung von x liegen fast alle xn. Also liegen in jeder Umgebung von x auch fast alle xg(n).
Der Leser wird nun vielleicht fragen:
Ist nicht jede Reihe auch eine Folge? Wie kann dann die
Umordnung für Reihen anders sein als für Folgen?
Antwort: Die Reihe ∑n xn ist die Partialsummenfolge (sn)n ∈ ℕ. Ist nun ∑n yn eine Umordnung von ∑n xn, so ist im Allgemeinen die Partialsummenfolge (tn)n ∈ ℕ von ∑n yn keine Umordnung der Folge (sn)n ∈ ℕ. Sie kann ganz andere Glieder haben.