5.5Die gleichmäßige Stetigkeit

Definition (gleichmäßige Stetigkeit)

Eine Funktion f : P   heißt gleichmäßig stetig, falls gilt:

∀ε > 0 ∃δ > 0 ∀p  ∈  P ∀x  ∈  P (|x − p| < δ    |f (x) − f (p)| < ε). (gleichmäßige ε-δ-Bedingung)

eha1-AbbID248

 Zum Vergleich der beiden ε-δ-Bedingungen schreiben wir noch einmal auf, was es heißt, dass eine Funktion f : P   ε-δ-stetig ist:

∀p  ∈  P ∀ε > 0 ∃δ > 0 ∀x  ∈  P (|x − p| < δ    |f (x) − f (p)| < ε).

Da wir zwei Allquantoren vertauschen dürfen, ist dies äquivalent zu:

∀ε > 0 ∀p  ∈  P ∃δ > 0 ∀x  ∈  P (|x − p| < δ    |f (x) − f (p)| < ε).

Nun ist der Unterschied zur gleichmäßigen Stetigkeit leicht zu sehen. In der gleichmäßigen Stetigkeit sind die Quantoren ∀p  ∈  P und ∃δ > 0 vertauscht. Nach den Quantorenregeln (vgl. 1. 10) ist diese Vertauschung in der Richtung von der gleichmäßigen zur normalen Form erlaubt. Mit anderen Worten:

Die gleichmäßige Stetigkeit ist eine Verstärkung der ε-δ-Stetigkeit.

In der gleichmäßigen Stetigkeit hängt δ immer noch von ε ab, aber die Abhängigkeit von p ist verschwunden. Ist ε > 0, so gibt es ein δ > 0, das für alle p  ∈  P gut ist.

Beispiel

Sei f : [ 0, 1 ]   definiert durch f (x) = x2 für alle x. Dann ist f gleichmäßig stetig. Denn sei ε > 0 beliebig. Sei δ = ε/2. Wir zeigen, dass δ gut für ε ist. Seien also x, p  ∈  [ 0, 1 ] mit |x − p| < δ. Dann gilt x + p ≤ 2, da x, p  ∈  [ 0, 1 ]. Also gilt

|f (x)  −  f (p)|  =  |x2  −  p2|  =  |(x + p) (x − p)|  ≤  2 |x − p|  <  2 δ  =  ε.

 Die gleichmäßige Stetigkeit ist ihrer Natur nach ein globales Konzept. Die Stetigkeit einer Funktion f : P   hatten wir zunächst in einem Punkt p  ∈  P definiert, und dann hatten wir f stetig genannt, wenn f in jedem Punkt p  ∈  P stetig ist. Dagegen ergibt es keinen Sinn zu sagen, eine Funktion f sei im Punkt p gleichmäßig stetig. Die gleichmäßige Stetigkeit ist eine Eigenschaft, die alle Punkte des Definitionsbereichs von f betrifft.

 Um uns den Begriff der gleichmäßigen Stetigkeit zu veranschaulichen, betrachten wir wieder die offenen Rechtecke der Form

R(ε, δ, p)  =  ] p − δ, p + δ [  ×  ] f (p) − ε, f (p) + ε [

der Breite 2 δ und der Höhe 2 ε, die den Punkt (p, f (p)) in ihrem Zentrum haben. Die gleichmäßige Stetigkeit von f bedeutet, dass für jedes ε > 0 ein δ > 0 existiert, sodass für alle p  ∈  P der Graph der Funktion im Streifen ] p − δ, p + δ [ ×  ganz im Rechteck R(ε, δ, p) liegt.

eha1-AbbID250

f nicht in R(ε, δ, p2),

δ ist nicht gut für ε

 Die gleichmäßige Stetigkeit tritt recht häufig auf. Man kann mit Hilfe des Satzes von Bolzano-Weierstraß zeigen, dass jede stetige Funktion f : [ a, b ]   gleichmäßig stetig ist. Für offene Intervalle ] a, b [ existieren Gegenbeispiele:

Beispiel

Sei f : ] 0, 1 [   mit f (x) = 1/x. Dann ist f stetig, aber nicht gleichmäßig stetig. Denn sei ε = 1 und δ > 0 beliebig. Wir betrachten nun ein beliebiges x derart, dass x < δ und 2x < 1 gilt. Weiter sei dann p = 2x. Dann gilt |x − p|  =  x  <  δ,  aber

|f (x)  −  f (p)|  =  1x  −  12x  =  12x  =  f (2x)  =  f (p)  >  1  =  ε.

 Die Funktion f des Beispiels wächst zu schnell, um die Rechtecksbedingung erfüllen zu können, so klein δ auch gewählt wird. Neugierig fragen wir nun:

Gibt es Gegenbeispiele zur gleichmäßigen Stetigkeit mit beschränktem Wertebereich?

Die Antwort ist: Ja. Eine schnell oszillierende Funktion, wie sie uns bereits bei der Diskussion der Unstetigkeitsstellen zweiter Art begegnet ist, liefert ein solches Gegenbeispiel:

Beispiel

Sei f : ] 0, 1 [   die Funktion mit f (x) = sin(1/x) für alle x  ∈  ] 0, 1 ] (vgl. 5. 3). Dann ist f stetig, aber nicht gleichmäßig stetig. Die Frequenz der Funktion steigt bei Annäherung an die Null beliebig an, und die Funktion durchsticht, für jedes noch so kleine δ > 0, die Rechtecke R(1/2, δ, p) in den Waagrechten, wenn p nahe genug an der Null gewählt wird.

 Umgekehrt können auch unbeschränkte Funktionen gleichmäßig stetig sein. Die Identität auf  ist ein Beispiel. Die Quadratfunktion oder auch das Produkt der Identität mit dem Sinus, also die Funktion f :    mit f (x) = x sin(x), zeigen, dass das Produkt zweier gleichmäßig stetiger Funktionen nicht mehr gleichmäßig stetig sein muss.

 Die gleichmäßige Stetigkeit spielt in der Integrationstheorie eine wichtige Rolle im Beweis des Satzes, dass sich jede stetige, auf einem Intervall [ a, b ] definierte Funktion gleichmäßig durch eine Treppenfunktion approximieren lässt und folglich integrierbar ist (vgl. 8. 6).