6.10 Weitere trigonometrische Funktionen
Definition (Tangens, Kotangens, Sekans, Kosekans)
Wir setzen:
tan(x) = sin(x)/cos(x) | für alle x mit cos(x) ≠ 0, |
cot(x) = cos(x)/sin(x) | für alle x mit sin(x) ≠ 0, |
sec(x) = 1/cos(x) | für alle x mit cos(x) ≠ 0, |
csc(x) = 1/sin(x) | für alle x mit sin(x) ≠ 0. |
Diese Funktionen heißen Tangens, Kotangens, Sekans bzw. Kosekans.
Sind also
A = { π/2 + k π | k ∈ ℤ }, B = { k π | k ∈ ℤ }
die Nullstellenmenge des Kosinus bzw. Sinus, so gilt
tan : ℝ − A → ℝ, cot : ℝ − B → ℝ, sec : ℝ − A → ℝ, csc : ℝ − B → ℝ.
Die vier Funktionen sind stetig auf ihren Definitionsbereichen. Die Funktionsgraphen visualisieren viele weitere Eigenschaften (Monotonie, Periodizität, Verhalten an den Definitionslücken, Parität usw.), die sich aus den Eigenschaften des Sinus und Kosinus ergeben. Bemerkenswert ist, dass der Tangens das beschränkte Intervall ] − π/2, π/2 [ stetig und streng monoton steigend (und damit bijektiv) auf ℝ abbildet. Ebenso bildet der Kotangens das beschränkte Intervall ] 0, π [ stetig und streng monoton fallend auf ℝ ab. Damit ist zum Beispiel die Funktion f : ] 0, 1 [ → ℝ mit
f (x) = tan(π x − π/2) für alle x ∈ ] 0, 1 [
eine stetige Bijektion zwischen ] 0, 1 [ und ℝ.
Die vier Funktionen ließen sich prinzipiell mit Sinus und Kosinus darstellen. Dennoch ist es nützlich, eigene Bezeichnungen für sie einzuführen. Bereits cos(x) könnten wir ja immer durch sin(x + π/2) ersetzen. Da der Kosinus in geometrischen Kontexten häufig in Erscheinung tritt, würden wir ihn schnell vermissen, ein Ersetzen durch den Sinus wäre umständlich. Ebenso tauchen die vier anderen trigonometrischen Funktionen in natürlicher Weise auf. Betrachten wir einen Einheitskreis und das durch einen Winkel x zwischen 0 und 90 Grad gegebene Dreieck OAD, so sehen wir die Größen sin(x) und cos(x) vor uns. Zeichnen wir nun ein zweites Dreieck OBD wie im Diagramm unten, so können wir auch die vier anderen Größen tan(x), cot(x), sec(x) und csc(x) entdecken:
In der Analysis spielt neben dem Sinus und dem Kosinus vor allem der Tangens eine wichtige Rolle. Er wird gebraucht, um Geraden zu untersuchen. Die Gerade g mit
g(x) = a x + b für alle x
hat die Steigung a. Der Tangens kommt ins Spiel, wenn wir den Winkel φ betrachten, den die Gerade mit der x-Achse einschließt: Es gilt tan(φ) = a (vgl. 6. 11).