6.11Die Arkusfunktionen

Definition (Arkusfunktionen)

Der Arkussinus arcsin : [ −1, 1 ]  , Arkuskosinus arccos : [ −1, 1 ]  , Arkustangens arctan :    und der Arkuskotangens arccot :    werden definiert durch:

arcsin  =  (sin|[ −π/2, π/2 ])− 1,  arccos  =  (cos|[ 0, π ])− 1,
arctan  =  (tan|] −π/2, π/2 [)− 1,  arccot  =  (cot|] 0, π [)− 1.
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 Die trigonometrischen Funktionen sind nicht injektiv und müssen deswegen geeignet eingeschränkt werden, bevor wir sie umkehren können. Die Intervalle, die wir zur Einschränkung verwenden können, sind nicht eindeutig bestimmt, der Sinus ist beispielsweise auch auf dem Intervall [ π/2, 3/2 π ] injektiv, und er nimmt dort ebenfalls alle Werte in [ −1, 1 ] an. Die in den Definitionen verwendeten Einschränkungen erscheinen aber aufgrund ihrer Nähe zur 0 als besonders natürlich. Als Merkregel gilt, dass die Einschränkungen der Funktionen, die ein „o“ enthalten, bei der 0 beginnen (wobei die 0 bei cot = cos/sin natürlich auszuschließen ist). Bei den anderen Funktionen liegt die Null in der Mitte des Intervalls und alle Intervalle haben die Länge π. Sie werden zum Wertebereich der Umkehrfunktionen. Die Umkehrfunktionen erben wie immer die Monotonieeigenschaften ihrer Herkunft.

 Die Arkusfunktionen bereiten keine großen Schwierigkeiten. Die einzige Fehlerquelle besteht in der Vernachlässigung der Einschränkung:

Beispiele
sin(arcsin(x))  =  x  für alle x  ∈  [ −1, 1 ],
arcsin(sin(x))  =  x  für alle x  ∈  [ − π/2, π/2 ],
arcsin(sin(x))  =  π  −  x  für alle x  ∈  [ π/2, 3/2 π ],
arcsin(sin(x))  =  x  −  2 π  für alle x  ∈  [ 3/2 π, 5/2 π ]  usw.

 In der Analysis ist der Arkustangens die prominenteste Umkehrfunktion. Wir diskutieren zwei wichtige Anwendungen.

Winkelberechnung für Geraden

Der Winkel φ  ∈  ] − π, π [, den eine Gerade mit der Steigung a ≠ 0 mit der positiven x-Achse einschließt, wird berechnet durch φ = arctan(a) (vgl. 6. 10).

Polarkoordinaten

Unsere Analyse der komplexen Exponentialfunktion in 6. 7 und 6. 8 hat ergeben, dass wir jede komplexe Zahl z ≠ 0 in der Form

z  =  r ei φ  =  r ei (φ + k 2 π),  k  ∈  ,  (Darstellung in Polarkoordinaten)

schreiben können. Wir nennen dann (r, φ) Polarkoordinaten der komplexen Zahl z. Eindeutigkeit erreichen wir, indem wir ein halboffenes Intervall der Länge 2 π auszeichnen. Wir wählen hier [ 0, 2 π [ (oft wird auch ] − π, π ] verwendet).

Für alle z  ∈   mit z ≠ 0 sei also

arg(z)  =  „das eindeutige φ  ∈  [ 0, 2 π [ mit z = |z| ei φ“.  (Argument von z)

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Zur Berechnung des Arguments wird der Arkustangens eingesetzt. Ist x > 0 und y ≥ 0 für z = (x, y), so gilt

arg(z)  =  arctan(y/x).

Liegt z in den anderen Quadranten, so sind Korrekturwinkel notwendig, da der Arkustangens ja nur Werte in ] − π/2, π/2 [ annimmt. Es ist günstig, beide Werte x und y einer Funktion zu übergeben, die die Fallunterscheidung durchführt. Wir definieren hierzu arctan2 : 2 − { 0 }  :

arctan2(x,y)=arctan(y/x),falls x>0undy0,arctan(y/x)+2π,falls x>0undy<0,arctan(y/x)+π,falls x<0,π/2,falls x=0undy>0,3π/2,falls x=0undy<0.

Es gilt dann:

arg(z)  =  arctan2(x, y)  für alle z = (x, y)  ∈   − { 0 }.

Also gibt

(x2+y2, arctan2(x, y))(Umrechnungsformel von x, y nach r, φ)

die Umrechnung von kartesischen Koordinaten in Polarkoordinaten einer komplexen Zahl z = (x, y) ≠ 0 an. Der Weg von Polarkoordinaten (r, φ) zu den kartesischen Koordinaten (x, y) wird mit Hilfe des Sinus und Kosinus berechnet. Gilt nämlich

z = r ei φ, so ist

x  =  r cos(φ)  und  y  =  r sin(φ).  (Umrechnungsformel von r, φ nach x, y)