6.2Rationale Funktionen

Definition (rationale Funktion)

Sei h : P   eine Funktion der Form

h(x)  =  f (x)g(x)  für alle x  ∈  P,  P = { x  ∈   | g(x) ≠ 0 },

mit Polynomen f, g :   , g nicht das Nullpolynom. Dann heißt f eine reelle rationale Funktion.

Analog sind komplexe rationale Funktionen h : P   definiert. Die definierenden Polynome f und g sind hier komplexe Polynome.

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f (x)  =  (x + 4) (x + 1) (x − 5) (x − 9) (x − 14)100 (x − 2) (x  − 7)

 Die rationalen Funktionen entstehen also durch Division zweier Polynome. Dabei werden die endlich vielen Nullstellen des Nennerpolynoms zu Definitionslücken. Hat der Nenner g den Grad k, so ist h = f/g höchstens in k Punkten nicht definiert. In  kann f/g überall definiert sein, in  existiert immer mindestens eine Definitionslücke, wenn der Grad des Nenners positiv ist.

Beispiele

(1)

Jedes Polynom f ist eine rationale Funktion, da f = f/1.

(2)

1/z ist eine rationale Funktion mit Definitionsbereich  − { 0 }.

(3)

1/(x2 + 1) ist eine rationale Funktion auf ,

1/(z2 + 1) ist eine rationale Funktion auf  − { i, − i }.

(4)

(x2 − 1)/(x − 1) ist eine rationale Funktion auf  − { 1 }.

(5)

x + 1 ist eine rationale Funktion auf . Für alle x ≠ 1 stimmt diese Funktion mit der Funktion in (4) überein, da (x2 − 1) = (x + 1)(x − 1).

 Die beiden letzten Beispiele zeigen, dass der Definitionsbereich von f/g oft kleiner ist als nötig. Manche Definitionslücken sind stetig hebbar und es ist nur natürlich, die rationalen Funktionen zu bevorzugen, deren Definitionslücken echt, also nicht stetig hebbar sind (vgl. 5. 7). Eine nicht stetig hebbare Definitionslücke heißt eine Polstelle von f/g. Da wir gemeinsame Nullstellen abspalten und wegkürzen können, können wir von f/g zu einer rationalen Funktion f*/g* übergehen, deren Polstellen genau die Nullstellen der Funktion g* sind. Wir sagen dann, dass die rationale Funktion f*/g* einen vollständigen Definitionsbereich besitzt.

 Allgemeiner heißt eine rationale Funktion f/g gekürzt, falls die Polynome f und g teilerfremd sind, d. h., es gibt keine Polynome q, f1, g1 mit Grad(q) ≥ 1 und

f  =  q f1,  g  =  q g1.

Eine gekürzte rationale Funktion hat einen vollständigen Definitionsbereich, da man gemeinsame Linearfaktoren wegkürzen kann. In  ist „gekürzt“ gleichwertig zu „vollständiger Definitionsbereich“, in  ist (x2 + 1)/(x2 + 1) nicht gekürzt, hat aber einen vollständigen Definitionsbereich. Eine gekürzte Darstellung f/g ist nur bis auf einen Faktor c ≠ 0 eindeutig, da f/g = (c f)/(c g) für alle c ≠ 0 gilt. Als Funktionen sind f/g und (cf)/(c g) identisch.

 Ist f/g eine rationale Funktion mit vollständigem Definitionsbereich, so lässt sich ein n-facher Pol w der Funktion multiplikativ abspalten:

fg  =  1(z − w)n  ·  fg*,  g*(w)  ≠  0.

Auch eine additive Abspaltung eines n-fachen Pols der Form

fg  =  bn(z − w)n  +  …  +  b1z − w  +  f*g*,  g*(w)  ≠  0,

ist möglich und als Partialbruchzerlegung von f/g bekannt.

Beispiele

(1)

Es gilt (z (z + 1))− 1  =  1/z  −  1/(z + 1), also ist, wie wir schon wissen,

n ≥ 1 (n(n + 1))− 1  =  limn 1 ≤ k ≤ n (1/k − 1/(k + 1))  =  limn (1 − 1/(n + 1))  =  1.

(2)

Wegen (z (z + 1) (z + 2))− 1 = (1/2)/z − 1/(z + 1) + (1/2)/(z + 2) ist

n ≥ 1 (n (n + 1) (n + 2))− 1  =  limn 1 ≤ k ≤ n ((1/2)/k − 1/(k + 1) + (1/2)/(k + 2))  =

limn (1/4 − (1/2)/(n + 1)  +  (1/2)/(n + 2))  =  1/4.

 Die rationalen Funktionen besitzen eine bemerkenswerte algebraische Struktur:

Exkurs:  Die rationalen Funktionen als Körper

Sei K = { f/g | f/g ist eine gekürzte rationale Funktion auf  }. Wir nennen f/g  ∈  K positiv, falls die Leitkoeffizienten von f und g dasselbe Vorzeichen besitzen. So sind

x  =  x/1,  (x − 3)  =  (x − 3)/1,  (− x2 + 1)/(− x)  =  (x2 − 1)/x

positiv. Wir definieren nun für Elemente aus K:

f1/g1  +  f2/g2  =  „die gekürzte Funktion (f1 g2 + f2 g1)/(g1 g2)“,
f1/g1  ·  f2/g2  =  „die gekürzte Funktion (f1 f2)/(g1 g2)“,
f1/g1  <  f2/g2,  falls  „die gekürzte Funktion f2/g2 − f1/g1 ist positiv“.

K ist ein nichtarchimedisch angeordneter Körper. Die Menge { n 1 | n  ∈   } ist nach oben beschränkt durch die Identität x = x/1  ∈  K.