6.4 Der natürliche Logarithmus
Definition (natürlicher Logarithmus)
Die Umkehrfunktion der reellen Exponentialfunktion heißt der natürliche Logarithmus. In Zeichen schreiben wir
log : ] 0, ℝ [ → ℝ oder ln : ] 0, ℝ [ → ℝ.
fn = ∑1 ≤ k ≤ n (−1)k − 1 (x − 1)k/k
Die Bezeichnung „log“ ist heute weit verbreitet. Die traditionelle und oft auch in der Schule verwendete Bezeichnung „ln“ steht für „logarithmus naturalis“.
Die Logarithmusfunktion ist unser erstes Beispiel für den Einsatz der Exponentialfunktion als Generator für andere Funktionen. Die Umkehrfunktion existiert, da exp : ℝ → ℝ monoton steigend und damit injektiv ist.
Aus exp(0) = 1 und exp(1) = e folgt log(1) = 0 und log(e) = 1. Weitere Eigenschaften, die sich aus der Definition ergeben, sind:
Stetigkeit | log ist stetig auf ] 0, +∞ [ |
Multiplikationstheorem | log(x y) = log(x) + log(y) für alle x, y > 0 |
Monotonie | log ist streng monoton steigend |
Vorzeichen | log(x) < 0 für x < 1, log(1) = 0, log(x) > 0 für x > 1 |
Wachstum | limx → ∞ log(x)/k = 0 für alle k ≥ 1 |
Steigung im Punkt 1 | limx → 0, x ≠ 0 log(x + 1)/x = 1 |
Aus dem Multiplikationstheorem lassen sich weitere Regeln gewinnen:
Beispiele
(1) | log(x2) = log(x x) = log(x) + log(x) = 2 log(x), |
(2) | log(1/x) = − log(x), da 0 = log(1) = log(x · 1/x) = log(x) + log(1/x), |
(3) | log() = log(x)/2, da log(x) = log(()2) = 2 log() für alle x > 0. |
Allgemeiner gilt log(xy) = y log(x) für alle x > 0 und y ∈ ℚ, und allgemeiner auch für alle y ∈ ℝ, falls die Exponentiation xy für alle y ∈ ℝ bereits definiert ist (vgl. 2. 10, 5. 7).
Die Definition als Umkehrfunktion der Exponentialfunktion und die graphische Methode liefern uns ein gutes Bild über das Verhalten des Logarithmus:
Beispiele
(1) | Da exp auf [ 0, +∞ [ schneller wächst als jede k-te Potenz, wächst der Logarithmus (Umkehrfunktion von exp) langsamer als jede k-te Wurzel (Umkehrfunktion von xk auf [ 0, +∞ [). Das ist gerade die Wachstumsaussage der Tabelle. |
(2) | Die Exponentialfunktion fällt sehr schnell von 1 nach 0 auf dem Weg von 0 nach −∞, da exp(− x) = 1/exp(x) für x ≥ 0. Also fällt der Logarithmus relativ langsam auf dem Weg von 1 nach 0 gegen − ∞ ab. De facto gilt limx ↓ 0 (x log(x)) = limx → ∞ log(1/x)x = − limx → ∞ log(x)x = 0, d. h., der Abfall des Logarithmus in ] 0, 1 [ gegen −∞ kann sich nicht einmal gegen einen linearen Abfall gegen 0 durchsetzen. |
Eine Reihendarstellung steht uns zunächst nicht zur Verfügung (weshalb wir auch keine Restgliedabschätzung angeben können). Mit Methoden der Differentialrechnung lässt sich zeigen:
Reihendarstellung des Logarithmus
log(x + 1) = ∑n ≥ 1 (−1)n − 1 xnn für alle x mit −1 < x ≤ 1, d. h.
log(x) = ∑n ≥ 1 (−1)n − 1 (x − 1)nn für alle x mit 0 < x ≤ 2.
(Logarithmus-Reihe)
Die Auswertung der Logarithmus-Reihe am rechten Randpunkt liefert den Grenzwert der alternierenden harmonischen Reihe:
log(2) = ∑n ≥ 1 (− 1)n + 1n = 1 − 1/2 + 1/3 − 1/4 ± …
Die Logarithmus-Reihe für log(x) divergiert für alle x > 2. Dies zeigt, dass eine Potenzreihe auf einem beschränkten Intervall mit einer stetigen Funktion auf ] 0, +∞ [ übereinstimmen, aber außerhalb des Intervalls divergieren kann. Verantwortlich für dieses Phänomen ist nicht der Logarithmus, sondern die Intervallnatur des Konvergenzbereichs einer Potenzreihe. Auch eine Potenzreihendarstellung von 1/x im Punkt 1 zeigt dieses Verhalten.
Das Multiplikationstheorem liefert die Möglichkeit, mit der Logarithmus-Reihe log(x) für beliebige x > 0 zu berechnen. Denn ist n so groß gewählt, dass x/2n < 2, so ist
log(x) = log(2n x/2n) = log(2n) + log(x/2n) = n log(2) + log(x/2n),
und log(2) und log(x/2n) lassen sich mit der Reihendarstellung berechnen.