7.11Krümmungsverhalten

Satz (Monotonie der Ableitung und Konvexität)

Sei I ein Intervall, und sei f : I   differenzierbar. Dann gilt:

(a)

 f ′ ist monoton wachsend  genau dann, wenn  f ist konvex.

(b)

 f ′ ist streng monoton wachsend  genau dann, wenn  f ist streng konvex.

(c)

 f ′ ist monoton fallend  genau dann, wenn  f ist konkav.

(d)

 f ′ ist streng monoton fallend  genau dann, wenn  f ist streng konkav.

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An der Stelle p ändert f die Krümmung, f′ die Monotonie und f″ das Vorzeichen.

 Die Monotonie der ersten Ableitung spiegelt das Krümmungsverhalten der Funktion wider. Der Leser vergleiche diesen Satz mit dem analogen Satz über Ableitung und Monotonie in 7. 8. Dieser besagte, dass das Vorzeichen der ersten Ableitung die Monotonie der Funktion widerspiegelt. Kombinieren wir beide Ergebnisse, so ergibt sich, dass das Vorzeichen der zweiten Ableitung das Krümmungsverhalten von f kodiert:

Ist f : I   zweimal differenzierbar, so gilt:

(a)

 f ″  ≥  0  genau dann, wenn  f ist konvex.

(b)

 f ″  >  0  impliziert  f ist streng konvex.

(c)

 f ″  ≤  0  genau dann, wenn  f ist konkav.

(d)

 f ″  <  0  impliziert  f ist streng konkav.

Setzt man in (b) und (d) die Relationen >* und <* statt > bzw. < ein (vgl. 7. 8), so erhalten wir Äquivalenzen.

Beispiele

(1)

Es gilt exp″(x) = exp(x) > 0 für alle x  ∈  . Also ist exp streng konvex auf .

(2)

Für die vierte Potenz f :    gilt

f ″(x)  =  12 x2  für alle x.

f ″ ist nicht überall größer als die Nullfunktion, aber es gilt f ″ >* 0. Also ist f streng konvex nach der >*-Version von (b) .

 Wechselt die Ableitung f ′ auf I ihr Monotonieverhalten, so wechselt f das Krümmungsverhalten. Allgemein definieren wir für stetige Funktionen:

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Definition (Wendepunkt)

Seien I ein Intervall und f : I   stetig. Dann besitzt f in einem p  ∈  I einen Wendepunkt, falls es ein ε > 0 mit ] p − ε, p + ε [ ⊆ I gibt mit:

f ist konvex in ] p − ε, p [ und konkav in ] p, p + ε [oder

f ist konkav in ] p − ε, p [ und konvex in ] p, p + ε [.

 Die obigen Sätze liefern Möglichkeiten zur Bestimmung der Wendepunkte differenzierbarer Funktionen. Hat man das Monotonieverhalten von f ′ oder das Vorzeichenverhalten von f ″ erkundet, so hat man auch die Wendepunkte von f bestimmt.

 Besitzt eine zweimal differenzierbare Funktion in p einen Wendepunkt und ist ε wie in der Definition, so hat f ″ in ] p − ε, p [ und ] p, p + ε [ verschiedene Vorzeichen. Ist f ″ stetig, so gilt also f ″(p) = 0. Damit erhalten wir:

Notwendige Bedingung für einen Wendepunkt

Ist f : I   zweimal stetig differenzierbar und besitzt f in p einen Wendepunkt, so gilt f ″(p) = 0.

Beispiele

(1)

Für den Arkustangens arctan :    gilt

arctan′(x)  =  11 + x2,  arctan″(x)  =  − 2 x(1 + x2)2 für alle x.

Damit ist arctan auf ] −∞, 0 [ streng konvex und auf ] 0, +∞ [ streng konkav. Der Nullpunkt ist der einzige Wendepunkt.

(2)

Für die vierte Potenz gilt f ″(0) = 0. Die konvexe Funktion besitzt aber keinen Wendepunkt. Die notwendige Bedingung „f ″(x) = 0“ ist also nicht hinreichend.

 Wir notieren schließlich noch ein nützliches Kriterium für lokale Extremwerte, das die zweite Ableitung und damit die Krümmung von f heranzieht:

Zweite hinreichende Bedingung für lokale Extrema

Sei f : ] a, b [   zweimal stetig differenzierbar und f ′(p) = 0. Dann gilt: Ist f ″(p) < 0, so besitzt f in p ein striktes lokales Maximum. Ist f ″(p) > 0, so besitzt f in p ein striktes lokales Minimum.

Das globale Minimum 0 der vierten Potenz lässt sich mit diesem Kriterium nicht ermitteln. Die Bedingung ist also nicht notwendig.