7.12Die Taylor-Entwicklung

Satz (Satz von Taylor, polynomieller Approximationssatz, Taylor-Polynome)

Sei f : I   n-mal differenzierbar und p  ∈  I. Dann gibt es ein r : I   mit

f (x)  =  Tnp f (x)  +  r(x)  für alle x  ∈  I,  lim p r(x)(x − p)n  =  0,

wobei  Tnp f :    mit

Tnp f (x)  =  k ≤ n f (k)(p)k! (x − p)k

das Taylor-Polynom n-ter Ordnung von f im Entwicklungspunkt p ist.

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Taylor-Entwicklung der Wurzel im Punkt 1

f 0(1) = 1,  f (1)(1)  =  1/2,  f (2)(1)  =  −1/8, 

f (3)(1)  =  1/16,  f (4)(1)  =  − 5/128.

T0p f (x)  =  f (p), 

T1p f (x)  =  f (p)  +  f (1)(p) (x − p),

T2p f (x)  =  f (p)  +  f (1)(p) (x − p)  +  f (2)(p)/2 (x − p)2.

Der Satz von Taylor ist im Fall n = 1 der Approximationssatz (vgl. 7. 3 ):

f (x)  =  f (p)  +  f ′(p) (x − p)  +  r(x),  lim p r(x)/(x − p)  =  0.

Ist diese Approximation erster Ordnung nicht gut genug, so kann man f durch Taylor-Polynome höheren Grades besser approximieren.

Das Restglied n-ter Ordnung

Über das Restglied r : I   der n-ten Taylor-Approximation kann man genauere Aussagen machen. Es gibt für alle x  ∈  I mit x ≠ p ein ξ zwischen p und x mit

r(x)  =  f (n + 1)(ξ)(n + 1)! (x − p)n + 1.  (Lagrangesche Form des Restglieds)

Mit Integralen kann man r(x) genau berechnen. Wir geben die Formel hier an:

r(x)  =  1n ! xp(x − t)n f (n + 1)(t) dt.  (Integralform des Restglieds)

Kommt es nur auf die Approximation und nicht so sehr auf die Restfunktion an, so schreibt man oft mit Hilfe des Landau-Symbols (Klein-o-Notation):

f (x)  =  Tnp f (x)  +  o((x − p)n)  für alle x  ∈  I.

Beispiele

(1)

Sei f : ] 0, 2 [   mit f (x) = x für alle x  ∈  ] 0, 2 [. Dann gilt

f ′(x)  =  x− 1/2/2,  f ″(x)  =  − x− 3/2/4  für alle x  ∈  ] 0, 2 [.

Also lautet die Taylor-Approximation zweiter Ordnung im Punkt p = 1:

f (x)  =  T21 f (x)  +  o((x − 1)2)  =  1  +  (x − 1)/2  −  (x − 1)2/8  +  o(x − 1)2.

(2)

Es gilt exp(n)(0) = 1 für alle n. Also gilt für alle x:

Tn0 exp(x)  =  k ≤ n f (k)(0)k! (x − 0)k  =  k ≤ n xkk !.

Die Taylor-Polynome reproduzieren also die Exponentialreihe. Allgemein gilt:

(3)

Ist f (x) = n an (x − p)n eine Potenzreihe mit Konvergenzradius R > 0, so gilt f k(p) = k ! ak für alle k (gliedweises Differenzieren !), also Tnp f (x) = k ≤ n ak (x − p)k.

(4)

Die Taylor-Entwicklung lässt sich auch zur effektiven Umrechnung von Polynomdarstellungen verwenden. Ist

f (x)  =  2 (x − 2)3  +  (x − 2)2  −  (x − 2)  −  1  für alle x, so gilt

f (1)(x)  =  6 (x − 2)2  +  2 (x − 2)  −  1,  f (2)(x)  =  12 (x − 2)  +  2,  f (3)(x)  =  12.

Wir betrachten p = 1 und berechnen

f (0)(1)/0!  =  −1,  f (1)(1)/1!  =  3,  f (2)(1)/2!  =  −5,  f (3)(1)/3!  =  2.

Das Lagrangesche Restglied ist 0, da f (4) = 0. Also gilt

f (x)  =  T31 f (x)  =  2(x − 1)3  −  5 (x − 1)2  +  3 (x − 1)  −  1.

 Es ist verführerisch, die Ordnung n der Approximation gegen unendlich gehen zu lassen, also zu fragen, ob für alle x  ∈  I gilt, dass

f (x)  =  Tp f (x)  =  n f (n)(p)n! (x − p)n.  (Versuch der Potenzreihenentwicklung)

Die Reihe Tp f (x) heißt die Taylor-Reihe von f im Entwicklungspunkt p. Stimmt sie mit f überein, so ist f als Potenzreihe dargestellt. Dies gelingt zum Beispiel für exp, sin und cos und allgemein, falls limn rn(x) = 0 für alle x gilt, wobei rn das Restglied n-ter Ordnung ist. Die Taylor-Reihe kann aber auch nur im Entwicklungspunkt mit f übereinstimmen:

Beispiel
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Sei f :    definiert durch f (x) = e− 1/x2 für x ≠ 0, f (0) = 0. Dann ist f glatt und f (n)(0) = 0 für alle n. Also ist die Taylor-Reihe T0 f die Nullfunktion.