7.4Ableitungsregeln

Satz (Ableitungsregeln)

Unter der Voraussetzung der Existenz der linken Seite gilt:

(a)

(a f + b g)′(p)  =  a f ′(p) + b g′(p), (Linearität der Ableitung)

(b)

(f g)′(p)  =  f ′(p) g(p) + f (p) g′(p), (Produktregel)

(c)

(f/g)′(p)  =  f ′(p) g(p)  −  g′(p) f (p)g2(p), (Quotientenregel)

(d)

(g ∘ f)′(p)  =  g′(f (p)) · f ′(p), (Kettenregel)

(e)

(f −1)′(f (p))  =  1f ′(p). (Ableitung der Umkehrfunktion)

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 Die Ableitungsregeln bilden einen Kalkül für die Differentialrechnung. Die Berechnung von Differentialquotienten tritt in den Hintergrund, da die Ableitung durch Anwendung der Regeln aus wenigen bekannten elementaren Ableitungen gewonnen werden kann.

 Wir haben die Regeln im Satz sehr kompakt angegeben. Ausführlich formuliert lautet die Kettenregel zum Beispiel:

Genaue Formulierung der Kettenregel

Seien f : P   und g : Q   Funktionen derart, dass die Verknüpfung h = g ∘ f existiert, d. h., für alle x  ∈  P ist f (x)  ∈  Q. Weiter sei p  ∈  P, und f sei differenzierbar in p und g sei differenzierbar in f (p)  ∈  Q. Dann ist h differenzierbar in p und es gilt

h′ (p)  =  g′(f (p)) · f ′(p).

 Dass g′(f (p)) mit f ′(p) multipliziert werden muss, wird als Nachdifferenzieren bezeichnet. Dies wird gerne vergessen. Eine weitere Fehlerquelle ist, die Ableitung von g im Punkt p und nicht im Punkt f (p) zu berechnen.

 Bei Verwendung der graphischen Methode wird die Regel für die Ableitung der Umkehrfunktion f −1 sehr anschaulich. Hat f im Punkt (p, f (p)) die Steigung a, so hat die Umkehrfunktion von f im Punkt (f (p), p) die Steigung 1/a. Am klarsten sieht man dies vielleicht, wenn man die Spiegelung an der Winkelhalbierenden gar nicht durchführt, sondern den Graphen von f um 90 Grad gegen den Uhrzeigersinn dreht und die y-Achse (die neue x-Achse) von rechts nach links liest.

Beispiele

(1)

Für jedes Polynom f :   , f (x) = k ≤ n ak xk, gilt

f ′(p)  =  1 ≤ k ≤ n k ak pk − 1.

(2)

Für den Spezialfall f = g liefert die Produktregel

(f 2)′(p)  =  (f · f)′(p)  =  2 f (p) f ′(p).

Allgemein zeigt eine Induktion nach n, dass (f n)′(p) = n f (p)n − 1 f ′(p).

(3)

Auch die Kettenregel liefert die Formel in (2). Denn ist g die n-te Potenz, so gilt f n = g ∘ f und g′(f (p)) = n f (p)n. Also gilt nach der Kettenregel

(f n)′(p)  =  (g ∘ f)′(p)  =  g′(f (p)) · f ′(p)  =  n f (p)n − 1 f ′(p).

(4)

Für die Identität id :   , id(x) = x, gilt id′ = 1. Nach (2) und (3) gilt also

(idn)′(p)  =  n id(p)n − 1 id′(p)  =  n pn − 1  für alle p  ∈  .

Aber idn ist die n-te Potenz auf  und damit haben wir die Ableitungsregel für diese Funktion wiedergefunden.

(5)

Es gilt

d(x3 + 2 x2 − 10)2/dx (p)  =  2 (p3 + 2 p2 − 10) · (3 p2 + 4 p),

dea x/dx (p)  =  ea p · d(a x)/dx (p)  =  a ea p,

d ex2/dx (p)  =  ep2 · d x2/dx (p)  =  2 p ep2,

d ax/dx (p)  =  d (ex log(a))/dx (p)  =  ep log(a) · log(a)  =  log(a) ap  für a > 0.

(6)

Die Wurzelfunktion g : ] 0, +∞ [   ist die Umkehrfunktion der zweiten Potenz f auf ] 0, +∞ [. Es gilt f ′(p) ≠ 0 für alle p. Also gilt für alle q = f (p) = p2:

g′(q)  =  1f ′(p)  =  12p  =  12q.

(7)

log : ] 0, +∞ [   ist die Umkehrfunktion von exp :    und es gilt exp′(p) = exp(p) ≠ 0 für alle p. Also gilt für alle q = exp(p) > 0:

log′(q)  =  1exp′(p)  =  1exp(p)  =  1exp(log(q))  =  1q.

(8)

Für alle a  ∈   und q > 0 gilt nach (7) und der Kettenregel:

d xadx (q)  =  d(ea log(x))dx (q)  =  ea log(q) · d(a log(x))dx (q)  =  qa · aq  =  a qa − 1.

Für a = 1/2 ergibt sich die Formel für die Ableitung der Quadratwurzel aus (6).