7.8 Ableitung und Monotonie
Satz (Ableitung und Monotonie)
Sei I ein Intervall und sei f : I → ℝ differenzierbar. Dann gilt:
(a) | f ′ ≥ 0 genau dann, wenn f ist monoton steigend. |
(b) | f ′ ≤ 0 genau dann, wenn f ist monoton fallend. |
(c) | f ′ > 0 impliziert f ist streng monoton steigend. |
(d) | f ′ < 0 impliziert f ist streng monoton fallend. |
An den Stellen p1 und p2 ändert f die Monotonie und f′ das Vorzeichen.
Der Satz ist ein Paradebeispiel dafür, wie man mit Hilfe der Ableitung Informationen über die Funktion selbst gewinnen kann. Kennt man das Vorzeichenverhalten der Ableitung, so kennt man das Monotonieverhalten der Funktion.
Das Intervall I des Satzes kann offen, halboffen, abgeschlossen sein, und auch unbeschränkte Intervalle wie ] 0, +∞ [, ] −∞, 0 ] oder ] −∞, +∞ [ sind zugelassen. Die Bedingungen an f sind punktweise zu lesen. „f ′ ≤ 0“ bedeutet zum Beispiel, dass f ′(x) ≤ 0 für alle x ∈ I.
Beispiele
(1) | Es gilt exp′(x) = exp(x) > 0 für alle x ∈ ℝ. Also ist exp streng monoton steigend. Weiter gilt arccot′(x) = −1/(1 + x2) < 0 für alle x ∈ ℝ. Also ist arccot streng monoton fallend. |
(2) | Für die zweite Potenz f : ℝ → ℝ gilt f ′(x) = 2 x. Nach dem Satz ist also f|] −∞, 0 [ streng monoton fallend und f|] 0, +∞ [ streng monoton steigend. |
(3) | Die dritte Potenz f auf ℝ ist streng monoton steigend mit f ′(x) = 3 x2 ≥ 0 für alle x. Das Beispiel zeigt, dass die umgekehrte Implikation in (c) im Allgemeinen nicht gilt. Analoges gilt für die Aussage (d), wie die Funktion g = −f zeigt. |
(4) | Sei f : [ 0, 1 ] ∪ [ 2, 3 ] definiert durch f (x) = x für alle x ∈ [ 0, 1 ] und f (x) = x − 2 für alle x ∈ [ 2, 3 ]. Dann ist f differenzierbar und es gilt f ′(x) = 1 > 0 für alle x. Die Funktion ist aber nicht monoton steigend, da zum Beispiel f (1) = 1 > 0 = f (2). Die Voraussetzung, dass f auf einem Intervall definiert ist, kann also nicht fallengelassen werden. |
Im dritten und vierten Teil des Satzes erhalten wir, wie die Beispiele zeigen, keine Äquivalenzen. Die Bedingung „f ′ > 0“ bzw. „f ′ < 0“ ist stärker als die strenge Monotonie. Es stellt sich die Frage, ob wir die Bedingung an die Ableitung geeignet abschwächen können, sodass Äquivalenzen entstehen und einfache Funktionen wie die dritte Potenz über ihre Ableitung als streng monoton steigend erkannt werden können. Dies ist in der Tat in einfacher Weise möglich. Wir definieren hierzu für eine Funktion f : I → ℝ:
f >* 0, falls | f ≥ 0, und es gibt kein Teilintervall [ c, d ] mit c < d von I, sodass f (x) = 0 für alle x ∈ [ c, d ] ist.(quasipositiv) |
f <* 0, falls | f ≤ 0, und es gibt kein Teilintervall [ c, d ] mit c < d von I, sodass f (x) = 0 für alle x ∈ [ c, d ] ist.(quasinegativ) |
f ≥ 0, f >* 0, g ≥ 0, nicht(g >* 0)
Anschaulich gilt f >* 0, wenn f ≥ 0 ist und sich allenfalls punktweise auf der x-Achse aufhält. Analoges gilt für f <* 0. Der Stern bedeutet also, dass die Funktion Nullstellen haben darf, aber keine Nullintervalle. Alle elementaren Funktionen mit Ausnahme der Nullfunktion haben diese Eigenschaft.
Für f, g : I → ℝ setzen wir f >* g, falls f − g >* 0. Wir erhalten so eine (strikte) partielle Ordnung. Analoges glt für <*.
Die Relation „f >* 0“ liegt im logischen Sinne zwischen „f > 0“ und „f ≥ 0“:
f > 0 impliziert f >* 0, f >* 0 impliziert f ≥ 0.
Analoges gilt für „f <* 0“. Nach diesen Vorbereitungen können wir nun den obigen Satz verbessern:
Satz (Ableitung und Monotonie, verbesserte Version)
Sei I ein Intervall und sei f : I → ℝ differenzierbar. Dann gilt:
(a) | f ′ ≥ 0 | genau dann, wenn f ist monoton steigend. |
(b) | f ′ ≤ 0 | genau dann, wenn f ist monoton fallend. |
(c) | f ′ >* 0 | genau dann, wenn f ist streng monoton steigend. |
(d) | f ′ <* 0 | genau dann, wenn f ist streng monoton fallend. |
Beispiele
(1) | Sei n = 2m + 1 ungerade, und sei f : ℝ → ℝ die n-te Potenz. Dann gilt f ′(x) = n x2 m ≥ 0 für alle x. Weiter gilt f ′ >* 0, da f ′ nur im Nullpunkt gleich 0 ist. Also ist f streng monoton steigend. |
(2) | Sei f : ℝ → ℝ konstant gleich c. Dann gilt f ′(x) = 0 für alle x, aber es gilt weder f ′ <* 0 noch f ′ >* 0. f ist monoton (fallend und steigend), aber nicht streng monoton. |