7.9 Lokale Extremwerte
Satz (Bedingungen für lokale Extrema)
Seien I ein offenes Intervall, f : I → ℝ differenzierbar und p ∈ I. Dann gilt (mit den Definitionen der Tabelle unten):
(a) | Notwendige Bedingung für ein lokales Extremum Besitzt f in p ein lokales Extremum, so gilt f ′(p) = 0. |
(b) | Hinreichende Bedingung für ein lokales Maximum Ist ] p − ε, p + ε [ ein Teilintervall von I mit f ′ ≥ 0 in ] p − ε, p [ und f ′ ≤ 0 in ] p, p + ε [, so besitzt f in p ein lokales Maximum. |
(c) | Hinreichende Bedingung für ein lokales Minimum Ist ] p − ε, p + ε [ ein Teilintervall von I mit f ′ ≤ 0 in ] p − ε, p [ und f ′ ≥ 0 in ] p, p + ε [, so besitzt f in p ein lokales Minimum. |
Diagramm zu (a): f besitze in p ein lokales Maximum.
Gilt in (b) und (c) statt ≤ und ≥ stärker < und > (oder auch nur <* und >* wie in der letzten Sektion), so ist das lokale Extremum strikt.
f : P → ℝ besitzt in p ∈ P ein … | falls gilt … |
lokales Maximum | ∃ε > 0 ∀x ∈ Uε(p) ∩ P f (x) ≤ f (p) |
lokales Minimum | ∃ε > 0 ∀x ∈ Uε(p) ∩ P f (x) ≥ f (p) |
striktes lokales Minimum | ∃ε > 0 ∀x ∈ Uε(p) (x ≠ p → f (x) > f (p)) |
striktes lokales Maximum | ∃ε > 0 ∀x ∈ Uε(p) (x ≠ p → f (x) < f (p)) |
(striktes) lokales Extremum | f besitzt in p ein (striktes) lokales Maximum oder ein (striktes) lokales Minimum |
Hinweis: In 7. 11 diskutieren wir eine weitere hinreichende Bedingung für lokale Extremwerte.
Der erste Teil des Satzes gibt eine anschauliche notwendige Bedingung für ein lokales Extremum an: Die Tangente einer differenzierbaren Funktion, die in p ein lokales Maximum oder Minimum besitzt, muss dort die Steigung 0 haben.
Beispiele
(1) | Sei f die dritte Potenz auf ℝ. Dann gilt f ′(0) = 0, aber f besitzt kein lokales Extremum im Punkt 0. Die Bedingung (a) ist also nicht hinreichend. |
(2) | Sei f : [ 0, 1 ] → ℝ definiert durch f (x) = x für alle x ∈ [ 0, 1 ]. Dann ist f differenzierbar und es gilt f ′(x) = 1 ≠ 0 für alle x ∈ [ 0, 1 ]. f besitzt aber in 0 ein lokales Minimum und in 1 ein lokales Maximum. Die Voraussetzung, dass f auf einem offenen Intervall definiert ist, ist also wesentlich. |
Die hinreichenden Bedingungen des Satzes fließen aus dem Satz über Ableitung und Monotonie (7. 8). Denn ist f ′ ≥ 0 in ] p − ε, p [ und f ′ ≤ 0 in ] p, p + ε [, so ist f monoton steigend im linken und monoton fallend im rechten Intervall, und damit besitzt f als stetige Funktion ein lokales Maximum im Punkt p. Analog zeigt man die anderen Behauptungen. Insbesondere gilt die Merkregel:
Ein Vorzeichenwechsel der Ableitung zeigt ein striktes lokales Extremum an.
Auf den ersten Blick sieht es vielleicht so aus, als könnte ein lokales Extremum nur durch die Bedingungen in (b) und (c) entstehen. Dies ist aber nicht der Fall. Eine Funktion kann in p eine lokale Minimalstelle besitzen, aber in keinem Intervall ] p − ε, p [ monoton fallen und in keinem Intervall ] p, p + ε [ monoton steigen:
Beispiele
(1) | Sei f : ℝ → ℝ mit f (x) = x2 (2 + sin(1/x)) für x ≠ 0 und f (0) = 0. Wegen −1 ≤ sin(1/x) ≤ 1 ist f (x) > 0 für x ≠ 0 und damit ist 0 ein striktes (globales) Minimum von f. Es gilt f ′(x) = 2x (2 + sin(1/x)) − cos(1/x) für x ≠ 0 und f ′(0) = 0. f ′ nimmt in allen Intervallen ] − ε, 0 [ und ] 0, ε [ sowohl positive als auch negative Werte an und verletzt damit (c). |
(2) | Sei g : ℝ → ℝ mit g(x) = x2 (1 + sin(1/x)) für x ≠ 0 und g(0) = 0. Dann ist g wie in (1), aber das Minimum im Nullpunkt ist lokal und nicht strikt. Die Funktion zeigt auch, dass eine differenzierbare Funktion in der Umgebung eines nicht strikten lokalen Extremums nicht konstant sein muss. |