2.4Rechenregeln in Gruppen

Satz (Kürzungs- und Inversenregeln)

Sei (G , ∘) eine Gruppe. Dann gelten für alle a, b, c  ∈  G:

Kürzungsregeln

a ∘ b  =  a ∘ c  impliziert  b  =  c, 

b ∘ a  =  c ∘ a  impliziert  b  =  c.

Lösbarkeit von Gleichungen

Die Gleichungen

a ∘ x  =  b  bzw.  x ∘ a  =  b

sind eindeutig lösbar durch

x  =  a−1 ∘ b  bzw.  x  =  b ∘ a−1.

Inversenregeln

(a−1)−1  =  a,  (a ∘ b)−1  =  b−1 ∘ a−1.

(x ∘ a)−1 ∘ b ∘ c  =  a−1  ∘ d ∘ c

(x ∘ a)−1 ∘ b  =  a−1 ∘ d

Kürzen von c

a−1 ∘ x−1 ∘ b  =  a−1 ∘  d

Inversenregel

x−1 ∘ b  =  d

Kürzen von a−1

b  =  x ∘ d

Mult. mit x von links

b ∘ d−1  =  x

Mult. mit d−1 von rechts

Schrittweises Auflösen einer gegebenen Gleichung (erste Zeile) nach x in einer Gruppe. Rechts steht eine Begründung für den gerade durchgeführten Schritt.

 Diese Regeln sind ständig im Einsatz.

Ihre Beweise sind kurz und instruktiv.

Beweis der Kürzungsregeln

Gilt a ∘ b = a ∘ c, so gilt a−1 ∘ a ∘ b = a−1 ∘ a ∘ c und damit e ∘ b = e ∘ c und damit b = c. Das Argument können wir kurz so zusammenfassen:

Multiplizieren der Gleichung „a ∘ b = a ∘ c“ mit a−1 von links entfernt das a.

Dies erklärt auch den Namen „Kürzungsregel“. Analoges gilt für die zweite Regel.

Beweis der eindeutigen Lösbarkeit von Gleichungen

Einsetzen von a−1 ∘ b für x zeigt, dass eine Lösung von a ∘ x = b vorliegt. Gilt umgekehrt a ∘ y = b für ein y, so zeigt die Multiplikation mit a−1 von links, dass y = a−1 ∘ b. Analoges gilt für die zweite Gleichung.

Beweis der Inversenregeln

Für die erste Regel beobachten wir, dass für alle a  ∈  G gilt:

a−1 ∘ a  =  a ∘ a−1  =  e,

sodass a das eindeutige Inverse von a−1 ist. Damit ist a = (a−1)−1. Eine doppelte Invertierung darf man also streichen. Das Inverse des Inversen von a ist a.

Die zweite Regel folgt aus

(a ∘ b) ∘ (b−1 ∘ a−1)  =  a ∘ b ∘ b−1 ∘ a−1  =  a ∘ e ∘ a−1  =  a ∘ a−1  =  e.

Der Leser beachte, dass sich die Reihenfolge beim Invertieren umkehrt. Das folgende Beispiel (2) zeigt, dass dies beachtet werden muss.

Beispiele

(1)

Sei (G, ∘) eine Gruppe und a, b, c  ∈  G. Dann gilt: 

(a ∘ b−1)−1  =  (b−1)−1 ∘ a−1  =  b ∘ a−1,

(a ∘ b ∘ c)−1  =  (a ∘ (b ∘ c))−1  =  (b ∘ c)−1 ∘ a−1  =  c−1 ∘ b−1 ∘ a−1.

(2)

Sei S3 die symmetrische Gruppe auf { 1, 2, 3 }, und seien a = (2, 3, 1), b = (1, 3, 2) und c = a ∘ b = (2, 1, 3) (vgl. 1. 5 zur Notation und 2. 3 zu Sn). Dann gilt

a−1  =  (3, 1, 2),  b−1  =  b,  c−1  =  c  =  b−1 ∘ a−1,  a−1 ∘ b−1  =  (3, 2, 1).

Also gilt (a ∘ b)−1  =  c−1  =  c  ≠  a−1 ∘ b−1.

 Die eindeutige Lösbarkeit von Gleichungen führt zu einer bemerkenswerten kombinatorischen Eigenschaft der Operationstafel einer Gruppe (Gruppentafel):

Bijektivität der Translationen

Ist G eine Gruppe und a  ∈  G, so ist die Linkstranslation a : G  G bijektiv, wobei

a(b)  =  a ∘ b  für alle b  ∈  G.

Gleiches gilt für die Rechtstranslation ra : G  G mit ra(b) = b ∘ a für alle b  ∈  G.

Anschaulich interpretiert bedeutet dies:

In den Zeilen und Spalten einer Gruppentafel stehen Permutationen von G.

Umgekehrt gilt:

Charakterisierung von Gruppen

Eine Halbgruppe H ≠ ∅ ist genau dann eine Gruppe, wenn alle a : H  H und ra : H  H bijektiv sind. Zudem kann „bijektiv“ durch „surjektiv“ ersetzt werden.

Beispiele

(1)

Sei V = { e, a, b, c } mit paarweise verschiedenen e, a, b, c. Wir definieren ∘ auf V durch die Tafel rechts. Man überprüft, dass ∘ assoziativ ist. Da in den Zeilen und Spalten Permutationen stehen, ist V eine Gruppe. Sie heißt die Kleinsche Vierergruppe.

e

a

b

c

e

e

a

b

c

a

a

e

c

b

b

b

c

e

a

c

c

b

a

e

(2)

In der Tafel rechts stehen in allen Zeilen und Spalten Permutationen, aber die Operation ist nicht assoziativ, da

(1 ∘ 1) ∘ 2 = 3 ∘ 2 = 1, 1 ∘ (1 ∘ 2) = 1 ∘ 2 = 2.

Es liegt also keine Halbgruppe und damit auch keine Gruppe vor.

1

2

3

1

3

2

1

2

1

3

2

3

2

1

3