2.7Normalteiler und Faktorgruppen

Definition (Nebenklassen, Normalteiler, Faktorgruppe)

Seien G eine Gruppe und H eine Untergruppe von G.

Äquivalenzrelationen und Nebenklassen bzgl. H

Wir definieren zwei Äquivalenzrelationen ∼ und ≈ auf G durch

a  ∼  b, falls  ba−1  ∈  H,
a  ≈  b, falls  a−1b  ∈  H für alle a, b  ∈  G.

Für alle a  ∈  G heißen

a/∼  =  H a  =  { ha | h  ∈  H }  die H-Links- oder a-Rechtsnebenklasse  und

a/≈  =  a H  =  { ah | h  ∈  H }  die H-Rechts- oder a-Linksnebenklasse

von a in G bzgl. H.

Normalteiler

Die Untergruppe H heißt ein Normalteiler von G, falls ∼ = ≈, d. h., falls

aH  =  Ha  für alle a  ∈  G. (Normalteiler-Bedingung)

Wir nennen dann aH = Ha die Nebenklasse von a in G bzgl. H und definieren G/H = { aH | a  ∈  G } und eine Operation · : (G/H)2  G/H durch

aH · bH  =  (ab)H  für alle aH, bH  ∈  G/H.

Schließlich heißt (G/H, ·) die Faktorgruppe von G bzgl. H.

ela1-AbbID83

Die Relation ≈ zerlegt G in Äquivalenzklassen aH. Alle Äquivalenzklassen sind gleichmächtig (Satz von Lagrange).

 Jede Untergruppe H von G induziert zwei Äquivalenzrelationen ∼ und ≈ auf G. Für alle a, b  ∈  G sind äquivalent:

(1)  b a−1  ∈  H.

(2)  Es gibt ein h  ∈  H mit b a−1 = h.

(3)  Es gibt ein h  ∈  H mit b  =  h a.

(4)  b  ∈  Ha  =  { ha | h  ∈  H }.

Dies zeigt, dass a/∼ = Ha. Analog gilt a/≈ = aH.

 Für Normalteiler ist ∼ = ≈. Es gilt dann aH = Ha für alle a  ∈  G oder gleichwertig

a b a−1  ∈  H  für alle a  ∈  G und b  ∈  H. (Normalteiler-Bedingung, Umformulierung)

 Nicht jede Untergruppe ist ein Normalteiler:

Beispiele

(1)

Für jede Gruppe G sind die trivialen Untergruppen { e } und G Normalteiler.

(2)

Ist die Gruppe G abelsch, so gilt

aH  =  { ah | h  ∈  H }  =  { ha | h  ∈  H }  =  Ha.

Damit ist jede Untergruppe einer abelschen Gruppe ein Normalteiler.

(3)

Die Untergruppe H = { (1, 2, 3), (1, 3, 2) } von S3 ist kein Normalteiler, da

(3, 2, 1)H  =  { (3, 2, 1) ∘ (1, 2, 3),  (3, 2, 1) ∘ (1, 3, 2) }  =  { (3, 2, 1), (3, 1, 2) },

H(3, 2, 1)  =  { (1, 2, 3) ∘ (3, 2, 1),  (1, 3, 2) ∘ (3, 2, 1) }  =  { (3, 2, 1), (2, 3, 1) }.

Dagegen ist H′ = { (1, 2, 3), (2, 3, 1), (3, 1, 2) } ein Normalteiler der S3.

 Für einen Normalteiler H kann auf der Menge der Nebenklassen

G/H  =  { aH | a  ∈  G }  =  { Ha | a  ∈  G }

eine Operation erklärt werden: aH · bH = (ab)H. Dass H ein Normalteiler ist, ist wichtig:

Beispiel

Für H ⊆ S3 wie oben würde aH · bH = (ab)H implizieren, dass

(3, 2, 1)H · (3, 2, 1)H  =  (1, 2, 3)H  =  H  ≠  (2, 3, 1)H  =  (3, 1, 2)H · (3, 1, 2)H,

obwohl (3, 2, 1)H = { (3, 2, 1), (3, 1, 2) } = (3, 1, 2)H. Mit anderen Worten:

(ab)H hängt von der Wahl von a, b und nicht nur von aH und bH ab, sodass − wie man in solchen Situationen sagt − die Multiplikation nicht wohldefiniert ist.

 Ist H ein Normalteiler von G, so ist G/H eine Gruppe. Die Nebenklasse eH = H ist neutral und das Inverse von aH ist a−1H. Im Allgemeinen ist (ab)H ≠ (ba)H, sodass die Faktorgruppe G/H nicht notwendig abelsch ist.

 Für additiv notierte Gruppen (G, +) haben Nebenklassen die Gestalt

a + H  =  { a + h | h  ∈  H }  =  { h + a | h  ∈  H }  =  H + a.

In dieser Form werden sie uns auch in der Vektorraumtheorie begegnen (vgl. 3. 11, 4. 5).

Beispiel

Für alle m ≥ 1 ist m ein Normalteiler von (, +). Es gilt:

/m  =  { a + m | a  ∈   }  =  { [ a ]m | a  ∈   }  =  m.

 Allgemeine Normalteiler und ihre Faktorgruppen G/H werden wir im Homomorphiesatz noch einmal betrachten (vgl. 4. 4). In der Algebra spielen sie eine Schlüsselrolle bei der Klassifikation von endlichen Gruppen und der Untersuchung der Frage, ob polynomielle Gleichungen durch Wurzelziehen lösbar sind.