3.1Vektorräume

Definition (K-Vektorraum, Vektor, Skalar)

Seien (V, +) eine abelsche Gruppe, K ein Körper und · : K × V  V. Dann heißt (V, +, ·) oder kurz V ein K-Vektorraum, falls für alle α, β  ∈  K und v, w  ∈  V gilt:

(a)

 1 · v  =  v,

(b)

 α · (β · v)  =  (α β) · v,

(c)

 α · (v + w)  =  (α · v)  +  (α · w),

(d)

(α + β) · v  =  (α · v)  +  (β · v). (Axiome für die Skalarmultiplikation)

Die Elemente von V nennen wir Vektoren und die Elemente von K Skalare. Der Körper K heißt der Skalarenkörper von V. Die Abbildung + : V2  V heißt die Vektoraddition und · : K × V  V die Skalarmultiplikation von V.

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Die Ebene 2 bildet mit der komponentenweisen Addition und Skalarmultiplikation einen Vektorraum.

 In einem Vektorraum sind also vier Abbildungen vorhanden: eine Addition in V, eine Addition und Multiplikation in K sowie eine Skalarmultiplikation ·, die es erlaubt, einen Vektor v  ∈  V mit einem Skalar α  ∈  K zu „skalieren“, sodass ein Vektor w = α · v entsteht.

 Die geforderten Eigenschaften (die sog. Vektorraumaxiome) umfassen zehn Körper-, vier Gruppenaxiome und die Axiome (a) bis (d) für die Skalarmultiplikation. Diese 18 Axiome lassen sich kurz so zusammenfassen: Auf einer abelschen Gruppe (V, +) ist eine Skalarmultiplikation mit guten Recheneigenschaften erklärt.

 Wir können den skalaren Malpunkt weglassen und nach (b) zum Beispiel α β v schreiben. Es ist ungefährlich, den Skalar 0 und den Nullvektor 0 in V gleich zu bezeichnen. Gleiches gilt für die Additionen bzw. Subtraktionen in K und V. Möglich sind diese Vereinfachungen, weil für alle Skalare α und Vektoren v gilt:

α v  =  0  genau dann, wenn  α = 0 oder v = 0

(− α) v  =  α (− v)  =  − α v

 Für Skalare stehen die vier Grundrechenarten zur Verfügung, von einem Produkt von Vektoren v und w ist in den Vektorraumaxiomen dagegen nicht die Rede. Vermutlich aus der Schule bekannt sind das Skalarprodukt ∘ : V × V   für V = 2 oder V = 3 sowie das Kreuzprodukt × : 3 × 3  3. (Statt v ∘ w sind auch v • w oder 〈 v, w 〉 üblich.) Vor allem das Skalarprodukt wird später eine wichtige Rolle spielen (vgl. Kapitel 6).

 Für Skalare werden griechische Buchstaben wie α, β, λ, μ, … verwendet. Dadurch können Dekorationen wie Pfeile oder Striche über den Vektoren entfallen.

Beispiele

(1)

Jeder Körper K ist ein K-Vektorraum. Vektoren und Skalare sind in diesem Fall identisch. Speziell ist  ein -Vektorraum und  ein -Vektorraum.

(2)

Ist K ein Körper und n  ∈  , so ist Kn mit

(a1, …, an)  +  (b1, …, bn)  =  (a1 + b1, …, an + bn),

α (a1, …, an)  =  (αa1, …, αan)  für alle α  ∈  K, (a1, …, an), (b1, …, bn)  ∈  Kn

ein K-Vektorraum (wobei K0 = { 0 }). Speziell gilt dies für n und n.

(3)

ist ein -Vektorraum: Die Vektoren sind komplexe Zahlen, die reellen Zahlen dienen als Skalare. Analog ist  ein -Vektorraum: Die Vektoren sind reelle Zahlen, als Skalare sind nur rationale Zahlen zugelassen. Allgemein gilt: Sind L, K Körper mit L ⊆ K, so ist K ein L-Vektorraum.

(4)

Sei (V, + , ·) ein -Vektorraum. Wir definieren α ∗ v = α v für α  ∈   und v  ∈  V. Dann ist (V, +, ∗) ein -Vektorraum.

(5)

Sei M eine nichtleere Menge. Wir definieren 1 · A = A, 0 · A = ∅ für alle A ⊆ M. Dann ist ((M), Δ, ·) ein K-Vektorraum über dem Körper K = { 0, 1 }. Die Vektoren sind Teilmengen von M und die Skalare stets 0 oder 1.

 Auch viele Ringe führen zu Vektorräumen. Jeder Ring R eignet sich als Menge von Vektoren, mit der Ringaddition als Vektoraddition. Ist nun K ⊆ R ein Körper, so liefert die Ringmultiplikation · : R × R  R durch Einschränkung auf K × R eine Skalarmultiplikation · : K × R  R, die (a) − (d) erfüllt. Der Ring R wird so zu einem K-Vektorraum. Allerdings enthält nicht jeder Ring einen Körper (so etwa der Restklassenring 4). Ein wichtiges Beispiel ist jedoch:

Der Polynomring K[X] als K-Vektorraum

Sei K[ X ] der Polynomring über einem Körper K. Dann bilden die konstanten Polynome (also die Polynome vom Grad kleinergleich 0) einen Körper, den wir mit K identifizieren können. K[ X ] ist damit ein K-Vektorraum.

 Schließlich betrachten wir noch einige Gegenbeispiele.

Beispiele zu den Axiomen für die Skalarmultiplikation

(1)

Definieren wir auf  die Skalarmultiplikation durch α · x = 0, so gelten (b), (c), (d), aber (a) ist verletzt.

(2)

Definieren wir auf  die Skalarmultiplikation durch α · z = Re(α) z, so gelten (a), (c), (d), aber (b) ist verletzt.

(3)

Definieren wir auf 2 die Skalarmultiplikation durch α · (z1, z2) = (α z1, α z2) für z2 ≠ 0 und α · (z1, 0) = (α z1, 0), so gelten (a), (b), (d), aber (c) ist verletzt.

(4)

Definieren wir auf  die Skalarmultiplikation durch α · x = x, so gelten (a), (b), (c), aber (d) ist verletzt.