3.10 Summen von Vektorräumen
Definition (äußere und innere Summen)
Äußere Summe
Sei (Vi)i ∈ I eine Familie von Vektorräumen. Dann definieren wir die äußere Summe W der Vektorräume Vi durch
W = { f ∈ ∏i ∈ I Vi | supp(f) ist endlich }, wobei
supp(f) = { i ∈ I | f (i) ≠ 0 }
der Träger von f ist. In Zeichen schreiben wir
W = ⨁i ∈ I Vi.
Innere Summe
Sei V ein Vektorraum, und seien W1, …, Wn Unterräume von V. Dann setzen wir
W1 + … + Wn = { w1 + … + wn | wi ∈ Wi für alle i ∈ I }.
Allgemeiner definieren wir für eine Familie (Wi)i ∈ I von Unterräumen von V:
∑i ∈ I Wi = { ∑j ∈ J wj | J ⊆ I ist endlich, wj ∈ Wj für alle j ∈ J }.
Die Unterräume W1 + … + Wn bzw. ∑i ∈ I Wi von V nennen wir die innere Summe der Unterräume Wi.
Eine innere Summe heißt direkt, falls jeder Vektor w1 + … + wn bzw. ∑j ∈ J wj der Definition der Summe nur dann gleich 0 ist, wenn alle Summanden wj null sind. Wir schreiben dann
W = W1 ⊕ … ⊕ Wn bzw.
W = ⨁i ∈ I Wi.
Die Summe
ℝ2 = W1 + W2 + W3
ist nicht direkt.
Die Summen lassen sich mit bekannten Konstruktionen erläutern:
Äußere Summen
Sei W = ⨁i ∈ I Vi eine äußere Summe. Ist I endlich, so ist W = ∏i ∈ I Vi, d. h., die äußere Summe ist dann einfach das endliche Produkt der Vi. Ist I unendlich, so ist W ein Unterraum von ∏i ∈ I Vi. Der Unterraum W besteht aus allen Vektoren des Produkts, die an höchstens endlich vielen Stellen von 0 verschieden sind. Damit sind die Vektorräume V(I) (vgl. 3. 3) spezielle äußere Summen:
V(I) = ⨁i ∈ I V = { f ∈ VI | supp(f) ist endlich }.
Insbesondere ist K[ X ] = K(ℕ) = ⨁n ∈ ℕ K.
Innere Summen
Die innere Summe kann man auch über den Spann erklären, denn
W1 + … + Wn = span(W1 ∪ … ∪ Wn), ∑i ∈ I Wi = span(⋃i ∈ I Wi).
Die innere Summe der Unterräume Wi ist also der kleinste Unterraum von V, der alle Unterräume Wi umfasst.
Direkte innere Summen
Die Direktheit einer inneren Summe W = W1 + … + Wn lässt sich mit Hilfe des Begriffs der linearen Unabhängigkeit so formulieren:
Picken wir aus den Summanden Wi je einen von 0 verschiedenen Vektor wi heraus, so ist (w1, …, wn) stets linear unabhängig.
Analog bedeutet die Direktheit für eine allgemeine Summe W = ⨁i ∈ I Wi:
Picken wir aus endlich vielen Summanden Wj, j ∈ J, je einen von 0 verschiedenen Vektor wj heraus, so ist (wj)j ∈ J stets linear unabhängig in W.
Verhältnis von äußeren und direkten inneren Summen
Ist W = W1 ⊕ … ⊕ Wn eine direkte innere Summe und W* = ⨁1 ≤ i ≤ n Wi die äußere Summe der Vektorräume Wi, so haben wir die natürliche Korrespondenz
(w1, …, wn) ∈ W* ≃ w1 + … + wn ∈ W.
Aufgrund der Direktheit von W liefert diese Entsprechung eine Bijektion
φ : W* → W, φ(w1, …, wn) = w1 + … + wn für alle (w1, …, wn) ∈ W*.
(Genauer ist φ ein Vektorraum-Isomorphismus zwischen W und W* im Sinne von 4. 5.) Analoges gilt für allgemeine äußere und direkte innere Summen. Damit ist die doppelte Verwendung des Zeichens ⊕ in der Regel harmlos, wenn man die Unterschiede der beiden Konstruktionen vor Augen hat.
Beispiele
(1) | Sind W1 eine Gerade und W2 eine Ebene im ℝ3 durch den Nullpunkt mit W1 ∩ W2 = { 0 }, so gilt ℝ3 = W1 ⊕ W2. Ebenso ist ℝ3 = { 0 } ⊕ ℝ3. |
(2) | Sind W1, W2, W3 ⊆ ℝ2 paarweise verschiedene Geraden durch den Nullpunkt, so gilt Wi ∩ Wj = { 0 } für alle i ≠ j. Aber die Summe W1 + W2 + W3 = ℝ2 ist nicht direkt. |
(3) | Aus der Dimensionsformel in 3. 8 folgt, dass eine endliche innere Summe W = W1 + … + Wn in einem Vektorraum der endlichen Dimension m genau dann direkt ist, wenn dim(W1) + … + dim(Wn) = m. |