3.6 Basen und Koordinatenvektoren
Definition (Basis)
Sei V ein K-Vektorraum.
(a) | Ein Tupel (v1, …, vn) von Vektoren in V heißt eine Basis von V, wenn (v1, …, vn) linear unabhängig und erzeugend ist. |
(b) | Ebenso heißt eine Menge B ⊆ V bzw. eine Familie (vi)i ∈ I in V eine Basis von V, wenn sie linear unabhängig und erzeugend ist. |
Die Vektoren einer Basis nennen wir auch Basisvektoren. Ist eine Basis B endlich, so heißt die Anzahl |B| ihrer Elemente die Länge von B.
(1, X, X2, X3) ist eine Basis des Vektorraums V ⊆ ℝ[ X ] aller Polynome über ℝ vom Grad kleinergleich 3. Im Diagramm sind die Polynomfunktionen dargestellt.
„Basis“ bedeutet:
Jeder Vektor liegt im Spann von B und jeder Vektor in B wird für diese Eigenschaft wirklich gebraucht.
Äquivalenzen für endliche Basen
Für jedes Tupel (v1, …, vn) in V sind äquivalent:
(a) | (v1, …, vn) ist eine Basis von V. |
(b) | (v1, …, vn) ist linear unabhängig und für alle v ∈ V ist (v1, …, vn, v) linear abhängig. (maximal linear unabhängig) |
(c) | (v1, …, vn) ist erzeugend und für alle i ist (v1, …, vi − 1, vi + 1, …, vn) nicht erzeugend. (minimal erzeugend) |
(d) | Jeder Vektor v in V besitzt eine eindeutige Darstellung der Form v = α1 v1 + … + αn vn mit α1, …, αn ∈ K. (Existenz und Eindeutigkeit der Darstellung als Linearkombination) |
Analoge Äquivalenzen lassen sich auch für beliebige Mengen und Familien angeben. Für Mengen B ⊆ V lautet (b):
B ist ein ⊆-maximales Element von { A ⊆ V | A ist linear unabhängig }.
Für Familien (vi)i ∈ I in V lautet (d):
Für jeden Vektor v in V existiert eine eindeutige Darstellung der Form v = ∑i ∈ I αi vi.
Die Eindeutigkeit erlaubt folgende fundamentale Definition:
Definition (Koordinatenabbildung ΦB, Koordinatenvektor)
Sei V ein K-Vektorraum.
(a) | Sei B = (v1, …, vn) eine Basis. Dann definieren wir ΦB : V → Kn durch ΦB(v) = vB = „der Vektor (α1, …, αn) ∈ Kn mit v = α1 v1 + … + αn vn“. |
(b) | Sei B = (vi)i ∈ I eine Basis. Dann definieren wir ΦB : V → K(I) durch ΦB(v) = vB = „der Vektor (αi)i ∈ I ∈ K(I) mit v = ∑i ∈ I αi vi“. |
Wir nennen ΦB(v) = vB den Koordinatenvektor von v bzgl. B. Für alle i heißt der Skalar αi = vB(i) der vi-Anteil von v bzgl. B.
Ein Koordinatenvektor ist also ein Element eines Vektorraumes Kn oder allgemeiner des K(I). Ist V = Kn bzw. V = K(I), so gehören v und vB demselben Vektorraum an. Im Allgemeinen leben sie in verschiedenen Räumen. Die Reihenfolge oder Indizierung der Basisvektoren spielt für Koordinatenvektoren eine Rolle.
Beispiele
(1) | Die Standardvektoren e1 = (1, 0, 0), e2 = (0, 1, 0), e3 = (0, 0, 1) bilden eine Basis B = (e1, e2, e3) des ℝ3. Für alle (x, y, z) ∈ ℝ3 gilt (x, y, z) = (x, 0, 0) + (0, y, 0) + (0, 0, z) = x e1 + y e2 + z e3. Damit ist v = vB für alle v ∈ ℝ3. Man nennt B die kanonische Basis oder die Standardbasis des ℝ3. Analoges gilt für ℝn und ℂn für alle n. |
(2) | Die Vektoren v1 = (0, 0, 1), v2 = (0, 1, 1), v3 = (1, 1, 1) bilden ebenfalls eine Basis C = (v1, v2, v3) des ℝ3. Es gilt zum Beispiel (1, 2, 3) = 1 · v1 + 1 · v2 + 1 · v3, sodass (1, 2, 3)C = (1, 1, 1). Ebenso ist, mit der kanonischen Basis (e1, e2, e3), (0, 0, 1)C = e1, (0, 1, 1)C = e2, (1, 1, 1)C = e3. |
(3) | Sei V = K[ X ] = K(ℕ). Dann ist B = (en)n ∈ ℕ eine Basis von V. Allgemein ist (ei)i ∈ I eine Basis des K(I). Für alle v gilt v = ∑i ∈ I v(i) ei, sodass vB = v. Wir nennen B wieder die kanonische Basis oder Standardbasis des Vektorraums K(I). |
(4) | e1 = (1, 0) = 1 und e2 = (0, 1) = i bilden eine Basis B = (e1, e2) des ℝ-Vektorraums ℂ = ℝ2. Dagegen ist (e1) eine Basis des ℂ-Vektorraums ℂ, da sich jedes v ∈ ℂ eindeutig als v = v e1 schreiben lässt. |
(5) | Eine Basis von ℝℕ oder des ℚ-Vektorraums ℝ ist nicht zu sehen (vgl. 3. 9). |
Warnung: Bestimmten Artikel vermeiden
Von Anfängern hört man oft: „(e1, e2, e3) ist die Basis des ℝ3.“ Der Wunsch nach Eindeutigkeit ist verständlich, aber die Aussage ist analog zu: „Die Katze ist das Tier.“ Also bitte „(e1, e2, e3) ist eine Basis des ℝ3“, so wie „Die Katze ist ein Tier.“