3.8 Die Dimension
Definition (Dimension eines Vektorraumes)
Ein Vektorraum V heißt endlich-dimensional, in Zeichen dim(V) < ∞, falls eine endliche Basis von V existiert. Andernfalls heißt V unendlich-dimensional, in Zeichen dim(V) = ∞. Ist V endlich-dimensional und (v1, …, vn) eine Basis von V, so heißt V n-dimensional, in Zeichen dim(V) = n.
Illustration der
Dimensionsformel
dim(U) + dim(W) = dim(U ∩ W) + dim(span(U ∪ W))
anhand von Ebenen U und W im ℝ3 durch 0, deren Durchschnitt eine Gerade G ist: 2 + 2 = 1 + 3.
Die Unterscheidung zwischen „dim(V) < ∞“ und „dim(V) = ∞“ ist einfach möglich, die Setzung von „dim(V) = n“ beruht dagegen auf dem Längensatz in 3. 7.
Bemerkung
Ist V endlich erzeugt, d. h. gibt es v1, …, vn ∈ V mit
span(v1, …, vn) = V,
so ist V endlich-dimensional. Denn wir können einen Vektor vi, der im Spann der Vektoren vj, j ≠ i, liegt, streichen, ohne den Spann V zu verkleinern. So lässt sich (v1, …, vn) schrittweise zu einer Basis reduzieren.
Beispiele
(1) | Ist V = { 0 }, so gilt dim(V) = 0. Denn die leere Menge ist eine Basis von V. |
(2) | Ist V = ℝn, so gilt dim(V) = n, denn (e1, …, en) ist eine Basis von V. Analog ist dim(V) = n für ℂn. |
(3) | Ist V der ℝ-Vektorraum ℂn, so gilt dim(V) = 2n. Eine Basis ist ((1, 0, …, 0), (i, 0, …, 0), …, (0, …, 0, 1), (0, …, 0, i)). |
(4) | Sei M = { a1, …, an } eine nichtleere Menge mit genau n Elementen, und sei V der { 0, 1 }-Vektorraum ℘(M) mit der symmetrischen Differenz als Vektoraddition und der Skalarmultiplikation 0 · A = ∅ und 1 · A = A für alle A ⊆ M. Dann gilt dim(V) = n, denn ({ a1 }, …, { an }) ist eine Basis von V. |
(5) | Ein Produktraum KI ist genau dann endlich-dimensional, wenn I endlich ist. |
(6) | Der Vektorraum K [ X ] = K(ℕ) ist unendlich-dimensional. |
(7) | Der ℚ-Vektorraum ℝ ist unendlich-dimensional. Denn für alle v1, …, vn ∈ ℝ ist span(v1, …, vn) = { α1 v1 + … + αn vn | α1, …, αn ∈ ℚ } abzählbar und damit ungleich ℝ. Allgemein gilt, dass ein überabzählbarer Vektorraum V über einem abzählbaren Körper unendlich-dimensional ist. |
Hat man die Dimension eines endlich-dimensionalen Vektorraums V als n bestimmt, so ist der Nachweis, dass n Vektoren eine Basis bilden, nur noch halb so aufwendig. Es genügt zu zeigen, dass die Vektoren linear unabhängig oder erzeugend sind. Das „oder“ wird automatisch zum „und“:
Satz von der Halbierung der Arbeit
Ist dim(V) = n, so sind für alle v1, …, vn ∈ V äquivalent:
(a) | (v1, …, vn) ist eine Basis von V. |
(b) | (v1, …, vn) ist linear unabhängig. |
(c) | (v1, …, vn) ist erzeugend. |
Wir betrachten schließlich noch Unterräume von endlich-dimensionalen Vektorräumen.
Ist (v1, …, vn) eine Basis, so existieren Unterräume U0, …, Un der Dimensionen 0, …, n:
U0 = { 0 } = span(∅), U1 = span(v1), U2 = span(v1, v2), …, Un = V = span(v1, …, vn).
Wichtige Ergebnisse über die Dimension von Unterräumen sind:
Dimension von Unterräumen
Ist V endlich-dimensional und U ein Unterraum von V, so ist U endlich-dimensional und dim(U) ≤ dim(V). Ist dim(U) = dim(V), so ist U = V.
Sind U, W Unterräume von V, so gilt die Dimensionsformel:
dim(U) + dim(W) = dim(U ∩ W) + dim(span(U ∪ W)).
Der Leser vergleiche die Dimensionsformel für Unterräume mit der Anzahlformel für endliche Mengen A, B: |A| + |B| = |A ∩ B| + |A ∪ B|.
Beispiele
(1) | Sei V = ℝ3, und seien U und W zwei verschiedene Ebenen durch den Nullpunkt. Dann ist span(U ∪ W) = V, denn ist (u1, u2) eine Basis von U, so ist (u1, u2, v) für alle v ∈ W − U eine Basis von V. Nach der Dimensionsformel ist dim(U ∩ W) = dim(U) + dim(W) − dim(span(U ∪ W)) = 2 + 2 − 3 = 1. Damit ist U ∩ W eine Gerade durch den Nullpunkt. |
(2) | Sind U, W Unterräume eines Vektorraums V mit U ∩ W = { 0 }, so ist dim(span(U ∪ W)) = dim(U) + dim(W) − dim({ 0 }) = dim(U) + dim(W). |