4.10Die Dimensionsformel

Satz (Dimensionsformel für lineare Abbildungen)

Seien V, W endlich-dimensionale K-Vektorräume, und sei f : V  W linear.

Dann gilt

dim(V)  =  dim(Kern(f))  +  dim(Bild(f)). (Dimensionsformel)

ela1-AbbID187

Anwendung des Homomorphiesatzes: Ist (u1, …, um) eine Basis von U = Kern(f) und (u1, …, um, v1, …, vk) eine Basis von V, so ist (v1 + U, …, vk + U) eine Basis von V/U (vgl. 3. 11). Da g : V/U  Bild(f) ein Isomorphismus ist, gilt

dim(Bild(f))  =  dim(V/U)  =  k  =  dim(V) − dim(U).

 Ist die Dimension n eines K-Vektorraumes V einmal bestimmt, so erleichtert die Dimensionsformel die Untersuchung linearer Abbildungen von V in einen beliebigen anderen K-Vektorraum W. Kennt man nämlich m = dim(Kern(f)), so kennt man

dim(Bild(f))  =  n  −  m.

Analog errechnet sich die Dimension des Kerns aus der des Bildes.

 Die Addition auf der rechten Seite der Formel soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Dimensionen in zwei verschiedenen Vektorräumen berechnet werden, wenn f kein Endomorphismus ist.

 Um die Dimensionsformel einzusehen, betrachten wir eine Basis (u1, …, um) des Unterraums U = Kern(f) von V. Ist m = n = dim(V), so ist U = V und damit Bild(f) = { 0 } und die Aussage „n = n + 0“ der Dimensionsformel klar. Andernfalls ergänzen wir die Basis von U zu einer Basis (u1, …, um, v1, …, vk) von V, sodass n = m + k. Für alle

u  =  α1u1  +  …  +  αnun,  v  =  β1v1  +  …  +  βkvk

in V gilt dann

(+)  f(u + v)  =  f (u)  +  f (v)  =  0  +  f (v)  =  f (v)  =  β1f (v1)  +  …  +  βkf (vk).

Wir setzen nun w1 = f (v1), …, wk = f (vk). Dann folgt aus (+):

(a)

Bild(f) = span(w1, …, wk). Denn jeder Vektor f(u + v) des Bildes hat die Form

f(u + v)  =  f (v)  =  β1f (v1)  +  …  +  βkf (vk),

(b)

(w1, …, wn) ist linear unabhängig in W. Denn sind β1, …, βk  ∈  K mit

f (v)  =  β1f (v1)  +  …  +  βkf (vk)  =  0,

so ist v  ∈  U = Kern(f) und damit β1 = … = βk = 0.

Damit ist (w1, …, wk) eine Basis von Bild(f), sodass k = dim(Bild(f)).

 Die Dimensionsformel lässt sich auch durch Anwendung des Isomorphiesatzes für Vektorräume beweisen (vgl. das obige Diagramm).

Beispiele

(1)

Sei f : 12  7 ein Epimorphismus. Dann gilt dim(Kern(f)) = 5.

(2)

Sei f : V  W ein Epimorphismus zwischen endlich-dimensionalen Vektorräumen. Dann gilt

dim(W)  =  dim(V)  −  dim(Kern(f))  ≤  dim(V).

(3)

Sind f : V  W und g : W  U Epimorphismen, so gilt

dim(V)  =  dim(Kern(f))  +  dim(Bild(f))  = 

dim(Kern(f))  +  dim(W)  = 

dim(Kern(f))  +  dim(Kern(g))  +  dim(Bild(g))  = 

dim(Kern(f))  +  dim(Kern(g))  +  dim(U).

(4)

Sind fi : Vi  Vi + 1 Epimorphismen für 1 ≤ i ≤ n mit Vn + 1 = { 0 }, so gilt

dim(V)  =  dim(Kern(f1))  +  dim(Kern(f2))  +  …  +  dim(Kern(fn)).

 Ein wichtige Anwendung der Dimensionsformel werden wir im nächsten Kapitel kennenlernen („Zeilenrang = Spaltenrang“).

 Für endliche Mengen A, B mit |A| = |B| und eine Funktion f : A  B sind die Eigenschaften „injektiv“, „surjektiv“, „bijektiv“ nach dem Schubfachprinzip äquivalent (vgl. 1.10). Aus der Dimensionsformel erhalten wir folgendes Analogon für endlich-dimensionale Vektorräume:

Ist dim(V) = dim(W) < ∞ und f : V  W linear, so sind äquivalent:

(a)

f ist ein Monomorphismus.

(b)

f ist ein Epimorphismus.

(c)

f ist ein Isomorphismus.

Denn mit m = dim(Kern(f)), k = dim(Bild(f)) ist

dim(W)  =  dim(V)  =  m + k.

Folglich gilt

m = 0  (d. h., f ist ein Monomorphismus)  genau dann, wenn

k = dim(W)  (d. h., f ist ein Epimorphismus).